Ein[Blick] – Flutkatastrophe

Man kann ja sagen was man will und dass einigen Personen unsere Texte nicht gefallen und anderen dann wieder doch, da wird man wohl nie einen Zwischenweg finden, um dann jedem gerecht zu werden.
Letztendlich liest man sie dann oder lässt es ganz einfach – was uns angeht, schreiben wir auch in Zukunft genauso weiter.
Über das was uns bewegt, über das was wir erleben und auch über Fakten, die unserer Meinung nach, so einfach nicht gehen.
Oftmals ist das dann so, als würde man auf einem Berg stehen und irgendwas ins Tal hinunterschreien und wenn man Glück hat, kommt ein kleines Echo zurück oder man hört eben gar nichts – hin und wieder lösen wir mit unseren Texten aber auch Lawinen aus, die dann zu Gesprächsthemen führen und nachdenklich machen.
Soweit – alles richtig gemacht!
Was mir wieder mal und immer und immer wieder auffällt und das in all den Jahren, in denen ich nun UNSICHTBAR e.V. mache und lebe, ist – das wichtige Sachen irgendwann wieder von der Bildfläche verschwinden und plötzlich ganz weg sind.
Wichtige Sachen, die ursprünglich schlimm waren, nicht in Worte zu fassen waren, nicht zu begreifen waren.
Sei es Geschichten von obdachlosen Menschen, die angezündet wurden, umgebracht wurden, beraubt oder beklaut wurden oder andere schlimme Ereignisse, wie nun auch die Flutkatastrophe in diesem Jahr.
Ich vergleiche solche Ereignisse immer mit einer Fußball WM – auch wenn sie das anfangs blöde lesen mag, letztendlich – wenn dann der Kopf mal eine Weile darüber nachgedacht hat, trifft es den Nagel auf den Kopf.
Es passiert etwas – viele Menschen treffen aufeinander – sind füreinander da und wenn die Zeit kommt, wird all das ganz schnell wieder vergessen und man geht in seinen üblichen Alltag über, so als wäre nie etwas gewesen.
Mittlerweile sind die Straßen vom Schlamm befreit, Keller trockengelegt und das was geblieben ist, sorgsam geräumt – oftmals aber leider auch weggeschmissen, weil es kein Zurück mehr gab.
Menschenleben, die dabei umkamen – Familien, die diese Menschen kannten, die zu all ihrem Unglück auch noch das wertvollste dabei verloren haben, wie den Vater, dass Kind oder die Mutter, die Oma und den Opa – vieles unwiederbringlich – einfach weg.
All die tausenden Menschen, die geholfen haben – die immer noch helfen wollen, helfen – wenn es dann zugelassen wird.
Ein Thomas Lange zum Beispiel, der wochenlang mit seinen Maschinen im Ahrtal unterwegs war, zusammen mit vielen anderen Unternehmen, die dort den „lebenden“ Menschen geholfen haben, fahren irgendwann nach Hause, weil ihnen niemand nur in geringster Weise eine Unterstützung bietet, bei alle dem was sie eingesetzt hatten und letztendlich nimmt man ihnen dann auch noch morgens das Frühstück und den Kaffee, der sie bei all dem was sie geleistet hatten, ständig begleitete.
Sie ziehen sich zurück, mit ihrem angeschlagenen Material, dass ihnen niemand ersetzt, und sie ziehen sie sich zurück mit ihren schlimmen Eindrücken, die sie in dieser ganzen Zeit erlebt haben, und wenn man in ihre Seele schauen könnte, nehmen sie auf lange Zeit viele schlimme Bilder mit, schlimmstenfalls Bilder von toten Kindern und anderen Menschen, sowie vielen anderen grausamen Entdeckungen.
Die Ersthilfe ist geflossen und auch wenn es sich noch so sehr makabrer anhört, gilt plötzlich für alle die, die von Anfang an, all das ganze organisiert hätten müssen, dass Sprichwort.
„Nach mir die Sintflut“ – wow das ist nicht leicht zu schreiben, aber es ist leider so und es wird immer so sein – erst der große Aufschrei und wenn dann der Film vorüber ist, ist es eben vorbei.
Sicherlich hatte die Katastrophenhilfe geholfen unzählige Polizisten und Feuerwehrleute, etc. und viele andere aber ohne die Hilfe der freiwilligen Helfer, wäre ohne diese Menschen letztendlich aus einer Katastrophe eine weitere entstanden.
Da bin ich mir sicher.
Ich kenne Menschen, die ein Haus haben/hatten, dass sie aber selbst nicht bewohnen, welches aber trotzdem stark beschädigt wurde oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr vorhanden ist – diese Menschen bleiben auf ihren kompletten Kosten sitzen, weil sie das Eigentum nicht selber bewohnen und es „nur“ als wirtschaftliches Kapital angesehen wird.
Selbst die, die in ihren Häusern leben, bekommen eine maximal Soforthilfe von 3.500,00 Euro je nach Familienanzahl.
Hier macht das gerade „zisch“ – der Wassertropfen, trifft den heißen Stein!
Da platzen dann mal schnell Träume und der spätere Traum von einem evtl. Ruhesitz im Alter, wird zur Hölle.
Das schlimme an der ganzen Sache, ist das danach, dass was noch kommt.
Es bleibt nicht bei einem trockenen Keller, bei schlammfreien Straßen – es hängt so viel mehr daran und das ist das, was noch kommt, wenn es dann leider schon wieder vergessen wird.
Wenn wir in der Nacht durch die Straßen fahren und Menschen antreffen, die dort leben, erfahren wir ihre Geschichten, oftmals Geschichten, die niemanden interessiert, weil sich viel zu wenig Menschen für diese Geschichten interessieren und es für sehr viele Menschen immer nur nach vorne geht und ihre Zeit niemals stehen bleibt.
Für viele tickt die Uhr aber gar nicht so schnell, für viele ist die Zeit einfach stehen geblieben, irgendwann ist etwas passiert, in einer Zeit, wo das Zeitfenster plötzlich so klein wurde, dass es gar keine Zukunft gibt oder sie das Gefühl haben, dass jeder Schritt, den sie jetzt noch gehen würden, auch nichts mehr bringen würde.
Einen Vergleich zwischen Flutopfern, Obdachlosen und Bedürftigen zu ziehen, ist wenn man es einmal genauer betrachtet, gar nicht so abwegig – denn sie alle haben ein Schicksal, dass sie getroffen hat, dass dann irgendwann vergessen wird oder wurde, an das nicht mehr gedacht wurde, dass einfach vom Thema her, in vielen Köpfen beendet wird.
Beendet diese Themen bitte nicht, egal wer Hilfe braucht, es gibt immer einen Grund, warum das so ist, und gerade jetzt sind es viele Menschen, die vor dem kompletten Aus stehen, die tatsächlich von Obdachlosigkeit bedroht sind und die auf Grund dessen, dass es eben vielleicht an der fehlenden Versicherung gescheitert ist, bedürftig werden oder auch schon geworden sind.
Auch wenn die Bäume wieder grün sind, geradestehen, das Wasser wieder seinen ursprünglichen Weg gefunden hat, Bäche und Flüsse freigelegt wurden und Häuser von außen wieder schön aussehen.
Das Innere und auch das Innere vieler Menschen wird gerade unsichtbar und leider vergessen!
Holger Brandenburg
Gründer & 1. Vorsitzender
UNSICHTBAR e.V.