„Ich darf mit Euch rausfahren, ist das dein Ernst, meinst du das wirklich Ernst…

Heute Nacht durften Sabine, Vincent und ich 19 obdachlosen Menschen in #Wuppertal etwas Gutes tun, sein es mit einem Kaffee, einer Terrine oder Sachen wie Schlafsäcken und Isomatten.

9 Stunden auf Tour bedeuten irgendwann, dass die Müdigkeit zuschlägt und erbarmungslos nach einem Bett schreit und das nicht, weil wir erschöpft sind, von dem was wir da draußen tun, denn das ist etwas was wir lieben zu tun, es sind die vielen Geschichten, die Gedanken, die wir mit nach Hause nehmen, die innerliche Festplatte, die irgendwann voll ist und neu gestartet werden muss, um all die Schicksale verarbeiten zu können.

Vincent war heute das zweite Mal mit auf Tour und erlebte Geschichten, die ihn auch am Ende dieser Tour noch beschäftigten, weil er nicht verstand, wie man mit obdachlosen Menschen so umgehen kann.

Erst werden sie umgarnt, dann bedroht und dann wehren sie sich und werden dafür dann bestraft oder sie wollen unbedingt von der Straße weg, wenden sich an die dafür vorgesehenen Einrichtungen, ihnen wir der Himmel auf Erden versprochen und dann bekommen sie wichtige Briefe erst Wochen später, wenn schon die ein oder andere Frist abgelaufen ist, so dass wieder Gelder gestrichen werden und wieder einmal der Traum von vier Wänden, um einen herum zerbrechen.

Heute sagte uns ein junger Mann, dass er nicht mehr kann und dass er, wenn er nicht so schnell wie möglich von der Straße wegkommen wird, sich lieber erhängt.

Von diesem Gedanken konnten wir ihn Gott sei Dank abbringen, aber auch wenn es sehr hart klingt, wir verstehen was er meint.

Es ist eben bei vielen Ämtern leider so, biste nichts, wirste behandelt, wie nichts und auf die Frage wann denn seine Gelder nun bewilligt werden, kommen Antworten, wie
„Jetzt haben sie so lange auf der Straße gelebt, die paar Monate werden sie auch noch schaffen“

Und das schlimme daran ist, Menschen, die sowas von sich geben, machen irgendwann Feierabend, gehen nach Hause und machen sich einen schönen Tag und die die nichts haben, die die warten müssen, weil angeblich ein Fax oder ein Brief mal wieder nicht angekommen ist, wollen das nicht mehr, können es nicht mehr und sind so sehr mit ihren Kräften am Ende, dann sie dann von Dingen reden, die niemand hören will.

Wir werden an der Sache dranbleiben und wir werden versuchen ihm zu helfen, endlich aus diesem Loch rauszuholen und sei es mit Kleinigkeiten, die ihn zum lächeln bringen oder auch mit einer Mitgliedschaft, für die heute das gesamte Straßenteam zusammengeschmissen hat, um ihm eine Mitgliedschaft für ein Jahr zu schenken, damit er als Anfang den Glauben nicht verliert, dass wenn man ihm etwas verspricht, zu mindestens wir auch halten, was wir versprechen.

Willkommen bei UNSICHTBAR e.V. und am Sonntag wird er seine erste Tour mit uns fahren.

„Ich darf mit Euch rausfahren, ist das dein Ernst, meinst du das wirklich Ernst und ich bin jetzt Mitglied von UNSICHTBAR e.V., fragte er mich heute mit Tränen in den Augen und das gesamte Straßenteam hat das möglich gemacht?“

Ja so ist es – du gehörst nun zu uns und alles andere werden wir versuchen auch noch auf die Beine zu stellen, dafür sind Freunde und ein Team da, um sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen.

Jemanden so fassungslos vor Freude zu erleben, dass habe auch ich nur selten erlebt.

Und an dieser Stelle soll ich dem gesamten Straßenteam, die ihm das möglich gemacht haben, dafür sein herzlichstes Dankeschön überbringen und er freut sich schon da drauf jede einzelne Person von uns kennenlernen zu dürfen.

Ich sag es ja immer wieder – das Team von UNSICHTBAR e.V. ist einfach unschlagbar.

Dann nach einem längeren traurigen aber auch freudigen Gespräch ging es für uns weiter und wieder bekamen wir Gänsehaut, als wir einen obdachlosen Herrn antrafen, als wir gerade einer Dame helfen wollten, die aber schon tief und feste schlief und er sagte:

„Was meint ihr, ich habe hier eine Decke, ob sie die braucht – ich würde sie ja gerne fragen aber sie schläft ja“

Ich sagte – nicht lange fragen – einfach machen und er ging zu ihr hin legte ihr die Decke über den Körper und keine zwei Sekunden später, zog sich die Dame, die Decke bis zum Kopf hoch, muckelte sich darin ein und schlief weiter.

Sie haben nichts, teilen alles und werden von Ämtern bestraft, wenn sie aus diesem Loch herauswollen – Was bitte läuft hier bei uns falsch?

Auf unserem weiteren Weg, tief durch die Nacht – der Sonnenaufgang war irgendwann in all seinen schönen Farben schon zu sehen, durften wir heute 19 obdachlosen Menschen etwas Gutes tun, 19 x mit ihnen lachen und auch weinen, mit ihnen nachdenklich sein und mit ihnen ein bisschen träumen, 19 x in Augen schauen, die es wie oft zuvor nicht glauben konnten, dass es da Menschen gibt, die bis in die Morgenstunden zu ihnen fahren, um zu schauen, ob wie es ihnen geht, die sich mit ihnen unterhalten und die einfach nur sicher gehen wollen, dass es all den Menschen, denen wir begegnen auch auf eine gewisse Art und Weise gut geht.

Wir bleiben am Ball, wenn auch manchmal vollkommen übermüdet, fassungslos, hilflos oder einfach nur entsetzt, wenn wir erzählt bekommen, wie sehr Ämter mit diesen Menschen spielen und ihnen die letzte Hoffnung nehmen, irgendwann einmal wieder ein Dach über dem Kopf zu bekommen.