29.11.2023 I 4:11 Uhr I -4°

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Vieles, was mich beschäftigt und wozu ich jedoch auch Nein sage, ist zum Beispiel:
Eine besonders liebe Freundin hat mich heute zu sich und ihrer Familie zum Essen eingeladen, damit ich auf andere Gedanken komme. Das war super lieb gemeint, aber ich habe kurzfristig abgesagt. Sie meinte zwar, das wäre okay, aber ich wollte nicht mit verheulten Augen am Tisch sitzen.
Danke für deine Einladung.
Mein Arzt sagte, dass mein Vitamin D grottenschlecht ist. Na ja, was soll ich dazu sagen? Wie soll ich auch Sonnenlicht inhalieren, wenn ich nur nachts aktiv bin?
Ich arbeite daran.
Meine Mutter sagt, ich solle mich gesünder ernähren und auch mal nicht rausfahren, mehr an mich denken.
Das kann ich nicht versprechen, aber ich denke sehr viel an sie, besonders jetzt, wo immer noch nicht geklärt ist, ob es „nur“ ein Schlaganfall war oder vielleicht auch noch etwas Schlimmeres.
Ich verzeihe es mir, eine Einladung abzusagen, meinem Arzt etwas vorzumachen, meiner Mutter nichts garantieren zu können und auch Touren abzusagen. Aber wenn die Temperaturen weit unter 0 Grad gehen, muss ich raus, zu denen, die unsere Hilfe brauchen. Egal ob es mir selber schlecht geht – dass muss dann sein. Würde ich es nicht tun, könnte ich es mir nicht verzeihen.
Heute Nacht war es besonders intensiv. Zuerst rief mich eine obdachlose Person aus Wuppertal an und erzählte, dass er bei seinem Kumpel rausgeflogen sei und jetzt bei -2 °C draußen sitzen würde. Die Polizei sagte bereits, dass er da nicht bleiben könne. Als er ihnen sagte, dass er uns Bescheid gesagt hätte, waren sie beruhigt und fuhren weiter.
Dann eine Meldung aus Hagen: Ein besorgter Passant hat jemanden gefunden. Also bin ich hin und konnte mit einem Kaffee, etwas Warmem zu essen und einem Gespräch helfen. Sie ist den Weg noch nicht weitergekommen, an die Ostsee, die junge Frau, die ich gestern bereits traf. Als ich dann an der Tankstelle etwas zu trinken kaufte und mich mit der Verkäuferin über Karma unterhielt, erfuhr ich, dass Karma erst im nächsten Leben wirkt.
Mist, dachte ich mir, und wie bekommen die, die es eigentlich jetzt schon verdient hätten, zurück? Ich denke nicht darüber nach. Es wird so kommen, wie es kommen soll.
Dann klingelte erneut mein Telefon, noch eine Meldung aus Wuppertal, diesmal aus Oberbarmen – nicht der Ortsteil, den wir gerne alleine anfahren.
Die Wegbeschreibung führte mich auf einen großen und dunklen Parkplatz, hier fand ich dann dank unserer Erna (Wärmebildkamera) auch eine Person, die in einer Ecke lag.
Die Situation war ziemlich unheimlich, und ich hätte mir sehr ein Teammitglied gewünscht, das mir den Rücken freihält. Aber zu diesen Uhrzeiten ist das Ehrenamt leider sehr rar besetzt.
Ich überreichte einen Kaffee und eine Isomatte, einen Schlafsack und einen Schalt. So oft wie mein Kopf sich an dieser Stelle nach links, rechts und nach hinten gedreht hat, so oft habe ich mich schon lange nicht mehr so gedreht und gewendet.
Dann war die Klappe zu, und die Frage, ob er noch eine Suppe haben dürfte, konnte ich nicht verneinen. Also die Klappe wieder auf, noch eine Terrine gemacht. Dann wünschte ich ihm alles Gute, setzte mich ins Auto und fuhr los.
Ich würde da keine Minute sitzen bleiben, was für ein schrecklicher Ort.
Passt auf euch auf.
Merke: Straßen und Kurven, die im Winter flimmern und blitzen – könnten sehr rutschig sein.