Letztendlich unterscheidet uns nichts von ihnen

Manchmal steht man auf und stellt fest das man in der Nacht irgendwo eingeschlafen ist, wo man eigentlich sonst gar nicht schläft, packt sich an den Nacken und der erste Gedanke ist. Ich brauche ne Massage, weil ich so schief und krumm gelegen bin, dass alles was sich Muskulatur und Nerven nennt erstmal wieder neu sortieren muss.
 
Als ich heute Morgen von unserer Tour kam, setzte ich mich auf die Couch und so wie ich mich hinsetzte, wachte ich dann vorhin wieder auf.
 
Trotzdem hatte das Ganze einen Vorteil, die Wohnung ist relativ warm, kein Wind, der dem Ganzen noch den Rest hätte geben können und egal wie doof ich schlief, es konnte nichts anderes passieren, weil die Eingangstür verschlossen war.
 
Nicht so, wie bei einem Herrn am gestrigen Abend, der auf einer Bank gesessen hatte, mit dem Kopf auf seinen Knien, von links nach rechts schaukelte und dabei schlief.
 
– Anatomisch – komisch, irgendwie –
 
Ausgesetzt, dem Wind, der ihm um die Nase wehte, auf eben dieser harten Bank und das bei Temperaturen um die 10 Grad, hinzukommend, dass er jedem dieser Menschen, die an ihm vorbeigingen, ungeschützt „ausgeliefert“ war.
 
Ob man sich jemals an so eine Situation gewöhnen kann, finde ich sehr fraglich und ne Massage, die ich mir immer noch wünsche, wäre für ihn wohl am nächsten Tag, der geringste Wunsch, den ein Mensch der auf der Straße lebt, wohl haben wird.
 
Irgendwie ist das wie Äpfel mit Birnen vergleichen, aber letztendlich ist es dann doch gar nicht mal soweit daher geholt, denn jeder dieser Menschen, die dort draußen schlafen, jeder von ihnen ist eigentlich nichts anderes als du und ich.
 
Wir sind alle gleich, jeder für sich ist auf seine Art und Weise wertvoll, es zählt auch nicht ob du arm oder reich bist oder ob du ein zu Hause hast oder andere eben nicht.
 
– Mensch bleibt Mensch –
 
Die einen sind wie du und ich einsam, die anderen sind wie du und ich tatsächlich glücklich, die anderen haben wie du und ich träume und andere wiederum haben nie verlernt, wie du und ich auch, einfach das Handtuch zu schmeißen und aufzugeben.
 
Wobei letzteres auf der Straße oftmals dann gar nicht mal so einfach ist, denn jeder der dort landet hat ein Zeitfenster, welches er statistisch gesehen erreichen muss, wenn er dann nicht irgendwann im schwarzen Loch der Obdachlosigkeit verschwinden will.
 
Man redet hier von 6 Monaten, die ab dem Zeitpunkt beginnen, an dem du auf der Straße gelandet bist und jeder Tag, der von diesen 6 Monaten dahingeht, ist ein Tag – an dem es schwieriger wird, wieder zurück in „normale“ Leben zurück zu kehren.
 
Dieses Zeitfenster hatten gestern auch andere Menschen, denen wir begegnet sind vor Augen.
 
Also jetzt nicht so, dass sie bewusst danach leben aber die, die wir getroffen hatten und die erst seid kurzem auf der Straße leben, wussten aus ihren Erzählungen heraus, dass es schnell gehen muss, um wieder Fuß zu fassen – denn wenn es zu langsam geht, greift die Abwärtsspirale schneller als du denken kannst und der Weg zurück, wird schwieriger, komplizierter, gespickt mit falschen Freunden, irritiert von der Psyche, die dir ein falsches Spiel vorgaukelt und verstärkt umgeben von Konsum mit Dingen, die dir anfangs ein gutes Gefühl geben, dich letzten endlich aber nur noch mehr kaputt machen, als du es eigentlich schon bist.
 
Die Zeit tickt und tickt und tickt und hört nicht auf.
Sie ist was das angeht einfach nur so sehr rücksichtslos und denkt nicht darüber nach, kurz mal zu stoppen und dir Zeit zu geben, um mal stehen zu bleiben und Luft zu holen, kurz durchzuatmen, sich mal kurz zu erholen.
 
Ich wünsche mir eine Massage, diese Menschen wünschen sich ein zu Hause, einen Ort an dem eine Couch steht, auf der sie einschlafen könnten, eine Tür die man abschließen könnte, eine Heizung, die ihnen Wärme schenkt.
 
Letztendlich unterscheidet uns nichts von ihnen – von den Menschen, die genauso wünschen und träumen, wie du und ich auch – nicht wirklich, irgendwas.