War früher alles besser?

Es ist zur Zeit wahnsinnig viel zu tun, Luft zum atmen bleibt kaum, denn wenn wir nicht gerade in der Nacht unterwegs sind, fahren wir am Tag raus, um andere Dinge zu erledigen und so kann es dann auch mal passieren, dass ein Straßenbericht, aus der vergangenen Nacht, erst gegen Mittag, am folgenden Tag erscheint.
Sowie dieser hier, von Sabine und Kathrin.
Sabine nimmt Euch in ihren Gedanken, mit auf die Tour von gestern:
Ein Weihnachten wie es früher war.
Kathrin und meine Tour gestern durch Bochum und Witten, haben etwas in mir hochgeholt.
War früher alles besser?
Besser will ich nicht sagen, aber menschlicher, unkomplizierter, herzlicher und ehrlicher.
Ich bin ein „Ruhrpott“ Kind und meine Eltern haben beide malocht, damit alles bezahlt werden konnte. Meine Schwester und ich waren keine Schlüsselkinder. Wir hatten Oma’s, und was wir noch hatten waren herzensgute Nachbarn, auf die immer verlass war.
Die auf uns aufpassten, uns versorgten und die mit uns gespielt haben.
Die Türen standen überall jederzeit offen und jeder kannte jeden.
Es hätte sich damals niemand erst gefragt, kann ich jetzt dieses oder jenes tun, wie ist das rechtlich abgesichert, was ist, wenn dies oder das, und so weiter und so weiter.
Was nötig war wurde einfach gemacht, wo Hilfe nötig war, waren immer Nachbarn da die zugepackt haben. Und immer, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Man wusste nämlich, wenn man selbst Hilfe braucht, sind auch alle anderen sofort da.
Heute ist das leider Gottes ganz anders.
Gestern Nacht auf der Straße bekamen wir das sehr deutlich mit.
Es ist nass kalt und uselig. Die ersten Plätze sind noch leer, also fahren wir in die Stadt.
Dort treffen wir bekannte Gesichter.
Nachdem alle versorgt hatten und wir uns gut unterhalten haben, machen wir uns auf den Weg.
Wir treffen einen Menschen an, der uns zitternd nach einer Decke fragt. Wir holen einen Schlafsack aus dem Auto und decken die Person damit erstmal richtig zu. Auch gegenüber ist jemand der auf dem blanken Boden liegt. Wir fragen uns wieso, sonst waren die Menschen im Bahnhof anzutreffen. Suppe, Grießbrei und Kaffee machen zwar etwas warm, aber ersetzen keinen trockenen warmen Schlafplatz.
Eine Antwort darauf haben wir nicht.
Auf der anderen Seite des Bahnhofs dasselbe Bild.
Alles sauber, und leergefegt. Niemand mehr da.
Wir sind erschrocken und ratlos zugleich. Wo sollen wir die Menschen jetzt finden?
Nun wir geben da nicht auf, aber für heute sind wir erstmal mit unserem Latein am Ende.
Auf dem Heimweg gehen mir diese Erlebnisse als Kind nicht aus dem Kopf.
Es ist nicht nur wichtig einen Menschen mit Essen zu versorgen, sondern sich auch mal Zeit zu nehmen für einen Plausch.
Und wirklich zuhören, ihn nach seinem Namen fragen und ihn mit diesem ansprechen, wenn man sich wiedertrifft. Gesehen werden, ist wichtig. Zuhören ist wichtig.
Das bringt mich zurück zu meiner Kinderzeit. Es wurde hingeschaut, unterstützt, geteilt, geweint, gelacht, geholfen und zugehört, zu jeder Zeit.
Werte wie diese wünsche ich mir, auch wenn es seltsam klingt, zurück in unsere Welt, in unseren Alltag, in unsere Herzen, in unser aller Leben.
Sie kosten nichts und sie sind leicht zu finden, denn sie sind in jedem von uns, wir müssen sie nur wieder aktivieren.
Gute Nacht.