Reden

Wie wichtig mit einander reden ist spürt man jeden Tag.

Wenn wir raus auf die Straße gehen, dann lassen wir sie reden – was sich jetzt so ein bisschen abgestumpft liest aber bei weitem gar nicht so gemeint ist, denn bei jemanden einfach mal die Seele baumeln lassen zu dürfen, in dem er oder sie einfach mal über alles sprechen können und auch dürfen, ist nicht nur eine Erleichterung für die Person, die da gerade redet, sondern auch ein Geschenk des Vertrauens, dass man selber bekommt.

Es ist selten geworden, dass man über Gott und die Welt redet, über das was einen bedrückt, über das was doof ist und über das was toll ist, über die Dinge die einen bedrücken – ja manchmal sogar auch erdrücken, einem die Luft abschnüren, weil sich da soviel angesammelt hat, dass viele gar nicht mehr wissen, wohin eigentlich damit.

Etwas in sich hinfressen nennt man das und umso länger man das tut, umso schwieriger wird es mit der Zeit, es dann los zu lassen.

Wenn wir Menschen auf der Straße begegnen, die sich über ein Gespräch freuen, ist das in dem Moment mehr als nur ein normales Gespräch, es ist Vertrauen schenken, quasi auf den Punkt gebracht.

Einer wildfremden Person sein Leben zu erzählen bedeutet schon einiges und man kann zum größten Teil davon ausgehen, dass das was da ausgesprochen wird, auch noch die Wahrheit ist.

Als UNSICHTBAR e. V. entstand sagte ich immer

„Nicht der obdachlose soll zur Gesellschaft aufblicken, sondern die Gesellschaft soll zu dem Obdachlosen aufblicken.“

Und da stehe ich noch heute zu.

Natürlich könnte man jetzt sagen, dass ist falsch, denn die, die in der Gesellschaft leben haben alles richtig gemacht und obdachlose Menschen eben nicht, warum sollte dann die Gesellschaft zu diesen Menschen aufblicken?

Haben die, die in der Gesellschaft tatsächlich alles richtig gemacht?

Eigentlich ganz einfach – abgesehen davon, dass diese Menschen keinen Job haben und auch keine Wohnung aber sie haben sehr sehr viel Herz und Tiefsinn. All diese Menschen haben mehr erlebt, als so manch ein Mensch der in der Gesellschaft lebt, sie haben zwar alles verloren aber sie haben im Gegensatz zur Gesellschaft ihren Stolz behalten, ihr offenen Wort und ihr Herz, was vielen anderen Menschen in der heutigen Zeit fehlt.

Sie haben nichts mehr zu verlieren, nichts was man ihnen vorwerfen könnte, denn vorgeworfen wird ihnen schon genug.

Sie schauen dir in deine Augen und wenn sie nicht mit dir reden wollen, servieren sie es dir brühwarm und ehrlich, sie sagen dir ins Gesicht, was sie denken, weil sie nicht lange darüber nachdenken, sondern einfach machen.

Sie haben keinen Vorteil dadurch, wenn sie dir irgendeinen Krampf erzählen, denn sie haben keine Vorteile mehr und sie brauchen sich auch keine Vorteile zu schaffen, in dem sie dich anlügen und selbst wenn das ein oder andere etwas geflunkert ist, den Gedanken dadurch etwas mehr oder weniger zu bekommen, haben die wenigsten.

Gespräche sind so sehr wichtig und ehrliche dazu noch sehr viel wichtiger.

Darüber sollte die Gesellschaft mal nachdenken, nicht der Obdachlose, denn der hat andere Dinge zum nachdenken, wie zum Beispiel – sich Gedanken darüber zu machen, den nächsten Tag zu überleben.

Einfach mal drüber nachdenken und beim nächsten mal, wenn man einem obdachlosen Menschen begegnet, seine Ohren öffnen und zuhören – lasst euch Vertrauen beschenken und geht damit in die Gesellschaft und teilt es und vielleicht, ja vielleicht kann die Gesellschaft ja tatsächlich noch etwas von diesen Menschen lernen.