Märchen?

Ein Bild wie aus einem Märchen:
Natürlich gab es früher keine asphaltierten Straßen, und die Lichter hingen nicht so hoch, doch dieses Foto, das ich während einer Tour mit Martina und Olli aufnahm, spiegelt in gewisser Weise den Lebensweg eines Menschen wider, der sich Ziele setzt und sie nach und nach verfolgt, als würde er von einem Licht zum nächsten gehen.
Manche Ziele sind hoch angesiedelt, andere noch weit entfernt.
Und ganz hinten, wo die letzten unzählige „Lichter“ zu sehen sind, erscheint es, als gäbe es kein Ende – weil alles irgendwie verschwommen aussieht. So mag man sich die Gedankengänge von Menschen vorstellen, die etwas in ihrem Leben ändern möchten. Menschen, die ihr Leben wieder in den Griff bekommen wollen. Ein Weg mit vielen Zielen und die Entschlossenheit, diesen Pfad zu beschreiten.
Dies erfordert viel Überwindung. Und selbst wenn die Freude über das Erreichte immens ist, kann oft etwas dazwischenkommen, das verhindert, von einem Licht zum nächsten zu gelangen.
Am Samstagabend waren Martina, Olli und ich unterwegs, um Obdachlosen zu helfen – jedem mit seiner einzigartigen Geschichte und sicherlich auch mit dem Wunsch, einige Ziele auf seinem Weg zu erreichen. Bei unseren Begegnungen spürten wir viele herzliche Gespräche und Freude aber auch Schwäche, Traurigkeit und vielleicht ein baldiges Zusammenbrechen einer Person, die nicht mehr kann, die keine Ziele mehr hat und die so schwach ist, dass sie selber sagt, dass ihr Körper das so nicht mehr lange mitmachen wird.
Als wir den Kofferraum unseres Fahrzeugs öffneten, warteten die Menschen geduldig, bis sie an der Reihe waren, ohne genau zu wissen, was sie erwartet, den sie standen vor unserem neuen Ausbau, der nicht auf Anhieb verriet, was wir dabei hatten.
Geduld ist auch beim Beschreiten neuer Wege gefragt. Es bringt nichts, überstürzt zu handeln in der Hoffnung, dass dadurch Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Für die Menschen, denen wir helfen, bedeutet jeder Schritt zurück ins Leben eine enorme Anstrengung, Geduld und Ausdauer. Kein magischer Moment wird all ihre Probleme lösen.
Draußen, auf der Straße, ist das Leben hart. Zeit und Geduld sind Luxus, und die täglich benötigte Kraft schwindet. Der Traum, ein neues Leben zu beginnen, wird durch die Jahre auf der Straße und die damit verbundenen Süchte und Probleme immer schwerer greifbar.
In dieser Nacht konnten wir einigen Menschen für den Augenblick Hilfe bieten und sie darüber informieren, wo sie langfristige Unterstützung finden. Hilfe, die ihnen zeigt, wie sie Schritt für Schritt vorgehen können, um eines Tages vielleicht wieder aufrecht und stolz durchs Leben zu gehen, zurückzublicken und zu sagen: „Ich habe es geschafft.“