Ein Gespräch ist ein bisschen wie Zauberei

Ein Gespräch ist ein bisschen wie Zauberei, es lässt grau plötzlich farbig erscheinen

Unsere erste gemeinsame Tour mussten wir einmal verschieben und heute hat es dann funktioniert – Susanne und ich fuhren gemeinsam raus.

Als erstes ging es zum Lager – Wasser auffüllen. Ich dachte in der Woche werden 3 Kannen reichen – später wurde ich eines Besseren belehrt.

Dann ging die Tour los, ich hatte da noch einen Straßennamen im Kopf, wo ich unbedingt hinwollte, und hätte das Navi uns nicht erst über Buxtehudepannersberg geschickt, wären wir auch schneller dort angekommen und als wir dann unser Ziel erreicht hatten, saß er dort in seiner Bushaltestelle und schaute mit dem Kopf auf den Boden.

Ein Herr, ich würde mal sagen, um die 60. – ich kann mich aber auch irren, denn das Leben auf der Straße macht die Menschen oftmals älter, als sie es wirklich sind.

Erst schaute er weiter auf die Erde, dann kam sein Kopf langsam hoch und schaute uns an.

Guten Abend, sagte ich – wie wäre es denn mit einem Kaffee oder vielleicht einer heißen Suppe?

Das wäre schön antwortete er und senkte seinen Kopf wieder in Richtung Erde.

Nur mit einer Trainingshose, einer Jacke hier zu sitzen, bei den Temperaturen, sagte ich – wie wäre es denn mit einem Schlafsack.

Der würde mir doch eh geklaut werden, wie alles andere auch, antwortete er und ich könnte ihn nicht transportieren, nein Danke – ich möchte ihn nicht haben.

Als ich mit Susanne zum Auto ging, um Kaffee und Suppe zu holen, nahm ich einen Rucksack aus dem Fahrzeug und schaute nach, ob einer unserer Schlafsäcke, dort reinpassen würde und er passte wundervoll, so dass auch noch Platz, für andere Dinge blieb.

Als wir den Kaffee und die Suppe dann zubereitet hatten, gingen wir wieder zu ihm zurück und zeigten ihm den Rucksack.

Hier schau mal, jetzt hast du einen Rucksack und Hokus Pokus, ein Schlafsack und andere Dinge passen auch dort hinein.

Ja, sagte er – wenn das so ist, dann nehmen ich ihn gerne.

Was denn mit dem Wind wäre, woher er denn kommen würde und wann er wieder vorhabe zu gehen und was da gerade in der Ukraine passiert und ob in Syrien noch immer Krieg ist – ohne Ende Fragen, die ihn brennend interessierten und die wir im gerne beantwortet hatten – na ja ok – bis auf den Wind, da hatten wir etwas geschummelt, denn so wirklich sicher, von wo er jetzt genau kommt, wahren wir uns dann auch nicht.

Die Unterkünfte sind alle voll und er habe gehört, dass man da auch nur beklaut werden würde und in den Park möchte er auch nicht gehen, da laufen ständig irgendwelche Menschen rum, die einem nichts Gutes täten, auch nach dem letzten Fußballspiel wäre man auf ihn los, wobei er doch niemandem etwas tun würde.

Möchtest du vielleicht noch eine Suppe, fragte ich – wodrauf hin er seinen Kopf wieder nach oben schauen lies und mit leiser Stimme sagte: Ja gerne, wenn das möglich wäre – sehr gerne sogar.

Was bekommt ihr dafür, war seine Frage im Anschluss und wir antworteten mit einem – gar nichts bekommen wir dafür.

Das kann ja nicht sein, irgendwas müsst ihr doch dafür bekommen, fragte er erneut, wodrauf ich sagte, dass wir schon alles dafür bekommen haben, was wir immer wieder gerne nehmen würden.

Was das denn sei, fragte er…

Einen Augenblick, der das Herz leuchten lässt, wenn wir dir in diesem Moment etwas schenken durften, dass gibt uns mehr, als alles andere.

Solche Menschen, gibt es nicht viele, er schaute uns erneut an und bedankte sich mehrmals, senkte seinen Kopf wieder, nahm die zweite Portion Suppe entgegen und verschwand in Gedanken und schaute wieder auf den Boden, sowie auch schon vorher, als wir ihn angetroffen hatten.

Dann ging es weiter, ein bisschen durch die Stadt, wo wir weiteren obdachlosen Menschen helfen durften. Ein junger Mann ging an unserem Fahrzeug vorbei und schaute nur.

Als ich dann fragte, ob wir ihm irgendwie helfen können, sagte er mit leiser Stimme.

Das steht Obdachlosenhilfe, könnt ihr mir helfen, denn ich bin nämlich obdachlos, meine Hände frieren und ich brauche Handschuhe.

Das sollte nicht das Problem sein, kein soooo kurzer Griff in den Kofferraum, sondern eher ein gefühltes Wühlen, brachten dann die gewünschten Handschuhe zum Vorschein.

Vielleicht noch einen Kaffee, einen Schal, eine Mütze und eine Suppe dazu, fragten wir ihn und er nickte und sagte:

Ja wenn das möglich wäre, dass würde ich gerne annehmen.

Nachdem wir dann noch ein bisschen geplaudert hatten, ging es für uns weiter – die Nacht wurde immer später und die Kälte wurde immer kälter und so durften wir heute Nacht acht Menschen, mit etwas Warmen helfen, mit Gesprächen, für einen Augenblick bei ihnen sein und ihn dadurch auf gewisse Art und Weise etwas schenken, was wir gerne verschenken.

Nächstenliebe zu versprühen und das Gefühl verschenken, nicht unsichtbar zu sein.