Ein Bild vor unseren Augen

Ein Beitrag aus unserer Kategorie Ein[Blick] – Ein Blick hinter die Kulissen von und durch UNSICHTBAR e.V. – Text und Inspiration von Regine Sonnleitner
Ein Bild vor unseren Augen
Gibt es einen Leitfaden, in dem steht, wie ein Obdachloser sich kleidet, wie er sich zu betragen hat oder was für Gefühle er haben sollte?
Es gibt ein Bild der Gesellschaft. Ein Bild, das komplett verfälscht ist. Darauf seht ihr einen traurigen, schmuddelig angezogenen Menschen, meist mit einer Flasche Alkohol in der Hand.
Er sitzt auf einen Stückchen Karton in einer dreckigen Gasse zwischen Unrat und Dreck. Die Farben sind grau bis schwarz gehalten. Wenn das Bild einen Geruch verströmen würde, dann würde man Alkohol und Schweiß riechen und die Nase rümpfen.
Könnte das Bild sprechen. Würde es mit belegter, betrunkener Zunge reden, pöbeln und herum herumschreien.
Könnten wir die Gefühle des Bildes wahrnehmen, würden wir daran zerbrechen, soviel Leid und Trauer liegen darin verborgen.
Es ist eines der schlechtesten gemalten Bilder.
Ich möchte Euch ein Bild zeichnen, das diese Obdachlosen Menschen in Wirklichkeit beschreibt.
Ihr seht einen Menschen sitzen.
Egal was ich ihm anziehe, es würde nichts ändern, um das Bild in die richtige Richtung zu lenken. Ob zerrissene, zerschlissene Kleidung oder einen Anzug – denn es geht um mehr.
Meine Bildfarben, sind bunt und zu bunt gehört auch schwarz und weis, jedoch auch rot, grün und gelb. Auf die Mischung kommt es an. Könnte mein Bild einen Geruch verströmen, würden die Abgase und Gerüche aus den Häusern um ihn herum überwiegen.
Wenn das Bild reden könnte, würde es „Hallo Du.“ sagen.
Könntet ihr die Gefühle meines Bildes wahrnehmen — und nun kommen wir zu der Frage, die sich jeder sicher schon einmal gestellt hat.
Lachen Obdachlose?
Ja denn sie sind Menschen wie Du und Ich. Sie weinen, sind traurig und sie lachen, genau so gerne wie wir. Sie lächeln aus tiefsten Herzen und sie empfinden Spaß und Freude.
Schaut genau mein Bild an – ihr werdet Euch selbst dort sitzend vorfinden.
Vielleicht nach einem harten Arbeitstag oder nach der Gartenarbeit, mit einer Bierflasche in der Hand, in Arbeitsklamotten, dreckig. Über den Geruch werde ich nicht sprechen…. Doch Eure Gefühle – Abgespannt, müde, evt. traurig und einsam.
Einige Fröhlich, voller Freude auf den Feierabend.
Mensch bleibt Mensch – das was uns von einem Obdachlosen Menschen unterscheidet, ist nur dieses kleine Quäntchen Glück, das wir mehr hatten.
Selbst in schmuddeligen Klamotten, kann ein gutes Herz stecken.
Schau hin und nicht weg – dort sitzt Du.