Zitternde Hände

Tour beendet – es war keine lange Tour aber eine anstrengende und auch wenn hier der Shitstorm losgehen sollte, wie es in der Regel immer mal war, wenn ich in die melancholische Schiene ausgerutscht bin, dann wird das eben jetzt auch so sein.
Muss ich dann eben durch….
Nachdem ich Jens abgeholt hatte, sind wir noch kurz in den REWE rein. Wir hatten keine Becher mehr und auch keinen Aufgusskaffee mehr im Auto.
Natürlich hätten wir die Sachen auch im Lager holen können aber ganz ehrlich?
Das Wetter war nicht freundlich und es war alles vorhanden. Gestreute Stellen, kurz danach vereiste Stellen, matschig, zugeschneit und alles zusammen immer einfach nur glatt, so dass wir das Risiko nicht eingegangen sind, ins Lager zu fahren.
Und weil mein Kopf nicht eh schon auf Hochtouren lief, fragte mich eine Stimme – Hast du den Herd ausgemacht?
Au man – also nochmal zurück in den Wald, der auch nicht wirklich schön zu fahren war und nachgeschaut und dann sollte es losgehen.
Wir sind also Richtung Hagen.
Auf halber Strecke hätte ich mir kurzfristig ein bisschen vor den Kopf hauen können, weil ich nicht nur bei der Abfahrt von mir zu Hause, sondern auch nach der Herdscene vergessen hatte, heißes Wasser aufzufüllen.
Total verplant, könnte man das nennen.
Aber

Bea

wohnt ja ihn Hagen, also hatte ich sie angerufen und darum gebeten uns heißes Wasser zu machen, was sie auch sofort tat. Dafür herzlichen Danke liebe Bea – du bist ein Schatz. (Liest dein Mann eigentlich mit? ) 😛

Und dann sollte es aber losgehen – kurz noch tanken und dann in die City.
Für den Weg nach Hagen brauchten wir heute, ohne die dummen Zwischenfälle eine geschlagene ¾ Stunde – ich will es ja nicht übertreiben aber die Straßen waren nicht autofahrerfreundlich und die Konzentration lief auf Hochtouren.
Dann sind wir erstmal zum Bahnhof gerutscht – ach ne gefahren – und trafen einen uns Bekannten Herrn, der uns erst gar nicht erkannt und weiterging, bis er dann unseren PKW sah und sagte: Hey – ihr seid das, da freue ich mich aber euch zu sehen.
Auf die Frage, ob er einen Kaffee möchte, nickte er und erzählte uns, während Jens den Kaffee zubereitete, dass er auf den Schlafsack von uns ganz genau aufpassen würde. So was Warmes in der Nacht habe er schon lange nicht mehr gehabt.
Und dann……
Dann nahm dieser Menschen, den Kaffee und uns blieb beinahe das Herz stehen.
Wir wissen alle, dass es da draußen kalt ist, es ist nicht nur kalt es ist wirklich böse kalt.
Selbst wenn wir mal einen Augenblick Pause gemacht hatten, nur um uns eine zu rauchen, zog sich die Kälte durch sämtliche
Klamotten, bis auf die Haut – das ist wirklich nicht mehr schön und wir sind schon schön muckelig angezogen.
Er nahm also seinen Kaffee und erst in diesem Augenblick sahen wir, wie sehr er am ganzen Körper zitterte. Er zitterte so extrem, dass der Becher in seiner Hand von links nach rechts geschleudert wurde und der Kaffee in weitem Bogen, aus ihm heraus.
Ich habe schon vieles gesehen aber der Moment hat mich umgehauen.
Ob er noch einen Schlafsack haben möchte, fragte ich ihn – weil es ihm eben so kalt war. Dieses verneinte er aber eine FFP2 Maske hätte er gerne gehabt. – Sollte er bekommen –
Im Bahnhof selbst konnten wir noch einen Kaffee weitereichen und der heutigen DB Sicherheit auch noch Karten von uns an die Hand geben.
Und nun, nun sind wir wieder zu Hause und ich sitze hier und schreibe diesen Bericht. Die Bilder von den zitternden Händen bekomme ich nicht aus meinem Kopf und ich sehe diese Gestalt von Menschen, wie er versucht mit seiner zweiten zitternden Hand, die andere festzuhalten und sich auch noch dafür entschuldigte.
Es gibt Erlebnisse auf unseren Touren, die bleiben, brennen sich ein, setzen sich fest und kommen immer wieder in einem hoch.
Mein zugegebener Respekt vor diesem Drecks Wetter und auch, da bin ich wie sonst auch immer – ehrlich – die Angst davor, dass irgendein Kasper, der sonst auf der Straße keinen Drift hinbekommt, dafür diesmal die Schneedecke benutzt und uns in den Wagen fährt, was vielleicht nicht gut ausgehen würde, war bei weitem nicht so schlimm, wie dieser Moment, als ich den Herrn vor mir stehen sah, wie er zitternd versuchte seinen Kaffee zu trinken.
Wir sind jetzt wieder zu Hause und eigentlich wollten wir noch länger rausfahren und ja wir haben heute nur zwei Menschen etwas helfen können, aber ich hatte einfach den Drang nach Hause zu fahren, über schneebedecke, vereiste und glitschige Straßen, einfach heile nach Hause zu kommen.
Ich wünsche euch eine gute Nacht, schlaft alle gut und passt bitte alle auf euch auf!
Letztens habe ich in einer Gruppe gelesen, dass wenn man nicht mit den „professionellen Unternehmen“ zusammenarbeiten würde, kontraproduktive Arbeit leisten würde.
Was bitte ist daran kontraproduktiv, wenn man in die Nacht hinein fährt und Menschen, einen Schlafsack schenkt oder einen heißen Kaffee reicht – für mich ist diese Aussagen nicht verständlich und das in keinster Weise.