Diese Texte

UNSICHTBAR e. V. gibt es seit zehn Jahren – okay, mittlerweile seit elf.

Irgendwann haben wir damit angefangen, darüber zu schreiben, wann wir mit wem wohin gefahren sind.
Und irgendwann haben wir damit aufgehört.

Nicht, weil es falsch war.

Sondern weil dieses ständige
„Heute waren wir dort und trafen diese Menschen, um ihnen dies und jenes zu geben, danach hatten viele etwas Warmes im Bauch“
nicht mehr das war, was wir eigentlich erzählen wollten.

Wir haben das bewusst in etwas anderes umgewandelt.

In Nähe.
In Interesse.
In Begegnung.

Um das hinzubekommen, muss man das besonders ausdrücken können.
Nicht erklärend.
Nicht aufzählend.

Sondern in Worten, die sich anfühlen wie ein gemaltes Bild.
Wie etwas, das dich für einen Augenblick berührt, obwohl es gar nicht da ist.
Etwas, das Gänsehaut beschert.

Etwas, das dir beim Lesen das Gefühl gibt, nicht davor zu sitzen, sondern dabei zu sein.

Ich glaube, genau das haben wir geschafft.

Und wenn viele das nicht verstehen – oder vielleicht genau deshalb, weil sie es selbst nicht so umsetzen können, oder vielleicht auch schlecht darüber reden – dann bestätigt uns das nur darin, dass das, was wir tun, richtig ist.

Wenn wir sagen, dass wir diesen Weg seit etwa vier Jahren gehen, dann sprechen wir von 365 Tagen mal vier Jahre.
Von all den morgendlichen 7-Uhr-Beiträgen.
Von einer ganz schönen Menge Text.

Nicht als Zahlenspiel.
Sondern als Spuren.

Als viele kleine Momente, in denen Menschen gelesen, innegehalten, gefühlt haben.

Auch wenn es immer wieder welche gibt, die genau das nicht gut finden.

Wir lassen uns davon nicht beirren.
Wir machen so weiter.

Und an dieser Stelle muss ich etwas klarer werden.

Ich schreibe sehr gerne von wir, weil ich mir ungern die Krone aufsetze, die eigentlich allen gehört.
Weil das, was draußen passiert, nie das Werk einer einzelnen Person ist.

Begegnung entsteht gemeinsam.

Aber beim Schreiben ist das anders.

Irgendwann muss ich an dieser Stelle auf das ich umsatteln.
Weil etwa 95 % dieser Texte aus mir heraus entstehen.
Aus meinem Erleben.
Aus meinem Fühlen.
Aus meinem Abwägen, wie nah Worte kommen dürfen und was sie auslösen.

Diese Texte,
diese Recherchen,
dieses dünne Eis, auf dem ich mich manchmal bewege,
diese bewusste Nähe,
diese Vergleiche zwischen einer Welt, in der wir leben, und einer Welt, in der wir nicht leben möchten –
das kommt zu einem sehr großen Teil von mir.

Ich kenne dieses Gefühl von Ohnmacht.
Diesen Moment, in dem Leserinnen und Leser langsamer werden, weil sie merken, wie nah etwas kommt.

Wenn ein Satz trifft.
Wenn ein Vergleich nicht erklärt, sondern wirkt.

Ich schreibe über Sehnsucht.
Über Liebe.
Über Nähe.

Und ja – manchmal liegt in meinen Texten etwas Erotisches.
Nicht platt.
Nicht billig.

Sondern diese Art von Intimität, die entsteht, wenn Nähe zugelassen wird.
Wenn Worte keinen Abstand halten.
Wenn Sätze so dicht kommen, dass man sie fast auf der Haut spürt.

Viele fragen mich, warum ich so schreibe.
Warum so intensiv.
Warum so offen.
Warum so nah.

Meine Antwort ist einfach:

Ich schreibe lieber so, wie ich es für richtig empfinde,
als so, wie es jemand anderes gerne hätte.

Ich ziehe Menschen magisch in eine Welt.
Ich verzaubere sie nicht mit Effekten, sondern mit Gefühl.

So, dass sie sich für einen Augenblick neben uns stehen sehen.
So nah, dass sie den Moment spüren, bevor jemand spricht.

Ich spiele mit Wortwahl.
Mit Feinfühligkeit.
Mit Frechheit.
Mit einem Hauch Zynismus.

Und mit dieser leisen Spannung, die entsteht,
wenn Ehrlichkeit keine Distanz kennt.

Ich öffne mein Universum.
Nicht vollständig.
Aber ehrlich.

Ich gebe frei, was ich erlebt habe.
Was mir Menschen erzählt haben.
In welche Welten sie mich blicken ließen.
In welche kranken, verletzten, zerbrochenen Vergangenheiten ich schauen durfte.

Und vielleicht hast du dich schon einmal in einem meiner Texte wiedergefunden.
Vielleicht hat dich ein Satz gestreift.
Vielleicht blieb ein Gefühl länger, als dir lieb war.

Vielleicht gab es diesen einen Moment beim Lesen,
in dem du glaubtest, einen Windhauch im Nacken zu spüren –
und genau in diesem Augenblick trat Gänsehaut ein,
ohne dass du erklären konntest, warum.

Am Ende geht es genau darum,
dass Texte anfangen zu leben.

Nicht laut.
Nicht erklärend.

Sondern so, dass Nähe nicht beschrieben wird, sondern passiert.
So, dass etwas bleibt, auch wenn der Text längst zu Ende ist.

Und genau deshalb machen wir das so.
Nicht, um zu gefallen.
Nicht, um alles verständlich zu machen.

Sondern um Nähe zuzulassen.
Sehnsucht spürbar werden zu lassen.
Und Wahrheiten nicht zu verstecken,
auch dann nicht, wenn sie unter die Haut gehen.

Das ist unser Weg.