„Zwischen Dreck, Verzweiflung und Verantwortung“

Vorwort: Ein Zeichen des Respekts – kein Angriff
Bevor Du diesen Text liest, ist uns eines besonders wichtig zu betonen:
Dieser Beitrag ist keine Anklage gegen die Stadt Hagen oder gegen die Menschen, die dort arbeiten. Wir wissen, wie viele sich in Verwaltung, Sozialarbeit, Hilfsorganisationen und im Ehrenamt täglich mit vollem Einsatz engagieren – oft unter großem Druck, mit zu wenigen Ressourcen und in Strukturen, die vieles erschweren.
Unser tief empfundener Respekt gilt all jenen, die Wohnungslose beraten, begleiten und versorgen, die sich um Unterkünfte kümmern, Lösungen suchen und sich Tag für Tag mit Herz und Haltung für Menschlichkeit einsetzen. Ihr leistet aus unserer Sicht Großartiges – und oft weit über das hinaus, was Eure Aufgabe verlangt.
Dieser Text richtet sich nicht gegen Euch, sondern gegen Strukturen.
Gegen einen Staat, der dort kürzt, wo er oft gar nicht weiß, was er damit anrichtet.
Gegen ein Bürokratieland, in dem erst 200 Seiten ausgefüllt werden müssen, um eine einzige Maßnahme umzusetzen – verfasst von Stellen, die mit der realen Lebenswelt der Betroffenen kaum je Berührung hatten.
Wir wissen, dass dieser Text lang ist. Aber manche Themen lassen sich nicht kürzen, wenn sie verstanden werden sollen. Was hier steht, beruht auf ausführlicher Recherche, auf Gesprächen mit Betroffenen, Helfenden und Fachleuten. Nur ein detaillierter Blick kann zeigen, was falsch läuft – und wie es besser gehen könnte.
Hagen hat das Potenzial, ein Modell zu werden für neue Wege im Umgang mit Wohnungslosigkeit. Und genau dazu möchten wir beitragen – und wollen auch hier unterstützen, so wie wir es bereits in der Vergangenheit getan haben.
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„Zwischen Dreck, Verzweiflung und Verantwortung“
Wie Deutschlands Obdachlosenhilfe versagt – und wie sie besser werden kann
In deutschen Städten wie Hagen leben Menschen in Notunterkünften, die diesen Namen kaum verdienen. Sie hausen – nicht wohnen. Sie überleben – nicht leben. Während Millionen in Prestigeprojekte fließen, wird an den grundlegendsten Dingen gespart: am menschenwürdigen Umgang mit jenen, die am wenigsten haben.
Wir scheuen uns nicht davor, Kritik zu äußern. Und ja, manchmal poltern wir direkt mit der Tür ins Haus. Nicht, um Schuldige zu benennen, sondern um Notstände sichtbar zu machen. Unser Ziel ist nicht Anklage, sondern Lösung. Wir suchen keine einfachen Antworten – wir suchen eine komplexe Idee für etwas Besseres.
1. Aktuelle Lage – Deutschlandweit und in NRW
In den Jahren 2024 und 2025 wurden deutschlandweit – besonders in Nordrhein-Westfalen – drastische Kürzungen im sozialen Bereich vorgenommen:
• Bürgergeld: Gekürzt um 4,7 Milliarden Euro
• Eingliederungsmittel: Reduziert von 4,15 Mrd. auf 3,7 Mrd. Euro
• Freiwilligendienste & Wohlfahrt: Einschnitte bis zu 25 %
• NRW: 82,94 Mio. Euro weniger für soziale Programme (u. a. Familienhilfe, Migration, Behindertenhilfe)
Diese Kürzungen treffen besonders die Schwächsten – darunter viele wohnungslose Menschen. Die soziale Infrastruktur bricht vielerorts ein, Projekte stehen vor dem Aus.
2. Die Realität in Hagener Obdachlosenunterkünften
In Hagen existiert eine zentrale Einrichtung:
Die Tuchmacherstraße:
Zustände wie in einem Dritte-Welt-Lager. Kein sicherer Zugang, marode Sanitäranlagen, Gewalt, psychisch kranke Bewohner.
Betreuung? Häufig nur durch überlastete Ehrenamtliche – professionelle Sozialarbeit ist Mangelware.
Die Folgen:
• Unkontrollierte Belegung
• Vandalismus und Verwahrlosung
• Gewalt, Eskalationen, Isolation
Hier entsteht kein Weg zurück ins Leben – das Problem wird lediglich verwahrt, nicht gelöst.
3. Die unsichtbaren Wunden – Was marode Unterkünfte mit Menschen machen
Die Zustände in vielen deutschen Notunterkünften sind nicht nur symptomatisch für politische Versäumnisse – sie hinterlassen bleibende Spuren bei den Menschen, die dort leben.
Psychische Belastung:
• Anhaltender Stress, Schlafmangel, Angstzustände
• Isolation und Misstrauen als Folge permanenter Unsicherheit
• Reaktivierung früherer Traumata (v. a. bei Gewaltopfern oder Geflüchteten)
Körperliche Folgen:
• Infektionen, Hautkrankheiten, Atemwegserkrankungen
• Mangelernährung und schlechte Hygiene verschlechtern chronische Erkrankungen
• Fehlende medizinische Versorgung verschlimmert Bagatellkrankheiten zu ernsten Problemen
Soziale Erosion:
• Rückzug, Resignation, vollständiger Verlust sozialer Fähigkeiten
• Keine Alltagsstruktur, kein Halt – jede Perspektive schwindet
• Besonders junge Menschen verlieren den Anschluss an Schule, Ausbildung, Arbeit
Diese Orte sollen Übergangslösungen sein – doch sie verfestigen den Abstieg. Statt zu helfen, verschärfen sie die Situation – menschlich, gesundheitlich, gesellschaftlich.
3.1 Wie es wirklich ist – Leben in der Verwahrlosung
Wer in eine Notunterkunft kommt, betritt oft keinen Schutzraum – sondern ein Gefängnis des Elends.
Der Geruch: Eine Mischung aus Urin, Schimmel, ungewaschenem Körper, abgestandener Luft. Fenster lassen sich nicht öffnen, die Luft steht. Man hält den Atem an, wenn man eintritt.
Die Zimmer: Verdreckte Abstellkammern mit alten Matratzen. Schimmel an den Wänden. Klebriger Boden. Müll. Blutige Taschentücher. Manchmal Kot in Ecken.
Die Betten: Durchgelegen, stinkend, ohne Bezüge. Wer hier schläft, teilt sein Lager mit Flöhen, Läusen, Bettwanzen – im schlimmsten Fall: Ratten. Manche Räume haben seit Wochen keine Reinigung mehr gesehen.
Die Sanitäranlagen: Verstopfte Abflüsse. Fäkalien in Kloschüsseln. Schimmel an Wänden und Decken. Kaltes Wasser, defekte Duschen. Keine Privatsphäre, keine Würde.
Die Krankheiten: Krätze, offene Wunden, Hautpilz, Atemwegsinfektionen – niemand kümmert sich. Wer krank ist, wird ignoriert oder isoliert. Medikamente? Fehlanzeige.
Die Sicherheit: Nächtliche Gewalt, Übergriffe, Diebstahl, Messerstechereien. Wer sich nicht selbst schützt, ist verloren. Für viele ist es schlimmer als auf der Straße.
Was das mit einem Menschen macht?
Die Seele gibt auf. Die Angst frisst sich fest. Der Körper folgt. Menschen verrotten in solchen Einrichtungen – mitten in einem reichen Land.
3.2 Sicherheitslage: Gewalt in Unterkünften
Neben Verwahrlosung und Krankheit ist Gewalt in Unterkünften ein weiteres, oft totgeschwiegenes Problem.
Zahlen, die alarmieren:
• Laut Bundesregierung stieg die Zahl der Straftaten gegen obdachlose Menschen von 1.851 (2021) auf 2.122 (2023).
• Davon waren 885 Gewaltverbrechen, u. a. Körperverletzungen, Raub, Bedrohungen.
Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 20/10817, bundestag.de
• Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 meldete 217.277 Fälle von Gewaltkriminalität, ein Anstieg um 1,5 %. Besonders problematisch: Zunahme bei Jugendlichen und Zunahme sexualisierter Gewalt in prekären Wohnformen.
Quelle: bka.de – PKS 2024
Diese Gewalt geschieht in der Regel hinter verschlossenen Türen – und wird selten verfolgt.
4. Kritik an der Prioritätensetzung
Während die Zustände in den Unterkünften eskalieren, investiert die Stadt Hagen Millionen in Beton und Prestige:
• Rathaus-Galerie: 120 Mio. €
• Kunstquartier: 25 Mio. €
• Wildwasserpark, Sporthallen, Brückensanierungen
Gleichzeitig fehlt es an Personal, Schutz, medizinischer Versorgung und sauberen Unterkünften für Menschen in existenzieller Not. Die Prioritäten sind verschoben.
5. Die Vision: Eine „Stadt in der Stadt“
Was Hagen braucht, ist kein weiteres Provisorium – sondern ein System. Eine modulare, menschenwürdige „Stadt in der Stadt“:
Bestandteile im Überblick:
Einzelzimmer mit Dusche/WC: Jedes Zimmer verfügt über ein 90er-Bett, einen Tisch, einen Stuhl, eine Dusche und ein WC. Die Ausstattung ist einfach, aber hygienisch und abschließbar. Die
Zimmer werden täglich gereinigt, jeder Bewohner checkt abends ein und verlässt das Zimmer morgens.
Nachtcafés mit niedrigschwelliger Aufnahme: Für Menschen, die sich (noch) nicht auf ein strukturiertes Wohnen einlassen können, bietet das Nachtcafé einen warmen Ort, Essen, Getränke,
Ansprache – ohne Barrieren oder Voraussetzungen. Auch dies wird professionell begleitet.
Betreute Einheiten für psychisch Erkrankte: In Zusammenarbeit mit Kliniken und Fachärzten könnten kleine Wohneinheiten geschaffen werden, in denen psychisch stark belastete
Wohnungslose dauerhaft oder übergangsweise wohnen können – mit Therapieangebot und engmaschiger Begleitung.
Konsumcafé mit Aufsicht: Ein sicherer Raum für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen. Das Café funktioniert mit klaren Regeln, hygienischer Kontrolle und sozialpädagogischer Begleitung. So werden Parks, Unterführungen und Innenstadtbereiche entlastet – wie es in Amsterdam oder Frankfurt erfolgreich modelliert wurde.
Sozialberatung unter einem Dach: Alle relevanten Hilfeangebote – von der Schuldnerberatung über Suchtprävention bis hin zu Wohnungsvermittlung oder Gewaltberatung – werden hier gebündelt. Die Menschen müssen nicht mehr durch das halbe Amtssystem laufen, sondern bekommen Hilfe dort, wo sie sind.
Gemeinschaftsräume: Repair-Cafés, Secondhand-Läden, ein Stadtteilcafé mit günstigen oder kostenlosen Speisen, Orte für Begegnung, Gespräche, Beteiligung – getragen von Bürgern, Vereinen, Religionsgemeinschaften.
Medizinische Station: Eine Erste-Hilfe-Einheit mit ehrenamtlich arbeitenden Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften für die Erstversorgung – z. B. bei Wunden, Infekten,
Medikamentenausgabe. Entlastet Notaufnahmen und sorgt für frühzeitige Intervention.
6. Kosten, Nutzen, Finanzierung
• Sanierung alter Gebäude: 2.000–2.800 €/m²
• Umbau leerstehender Immobilien: 1.200–1.500 €/m²
Fördermöglichkeiten: EU-Programme, Bundesmittel, Landesförderung NRW, Stiftungen (z. B. Aktion Mensch), lokale Unternehmen, Kirchen, Ehrenamt
7. Vorteile für Stadt & Gesellschaft
• Entlastung für Polizei, Krankenhäuser und Notdienste
• Weniger Verwahrlosung, Gewalt, Beschwerden
• Strukturierte Integration statt chaotischer Verwahrung
• Politische Anerkennung, Modellcharakter
• Ein soziales Signal: Hagen übernimmt Verantwortung
8. Haltung: Hilfe mit Haltung
Nicht jeder Obdachlose ist Opfer. Aber jeder Mensch verdient Würde, Struktur, Schutz.
Was unser Land aktuell bietet, ist keine Hilfe – es ist Verwahrung ohne Wirkung.
Wir brauchen keine neuen Pflaster – wir brauchen ein neues System.
9. Ein Aufruf an die Stadt Hagen – und darüber hinaus
Dieser Text ist keine Anklage – er ist eine Einladung. An Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft.
Hagen könnte die Stadt sein, die zeigt: Es geht anders.
Hagen könnte Modellstadt werden – für Menschlichkeit, Struktur und Mut.

Wir würden uns sehr über das Interesse der Medien freuen.
Denn Not ist nicht nur an Weihnachten sichtbar – sie ist das ganze Jahr über allgegenwärtig.
Lasst uns gemeinsam zeigen, dass Veränderung möglich ist – wenn wir nicht wegsehen, sondern handeln.

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