Und dann sind da diese vielen Weihnachtsfeiern.
Und dann sind da diese vielen Weihnachtsfeiern.
Weit verstreut über Städte, Hallen, Hotels, große Räume mit viel Licht.
Gut gemeint.
Oft liebevoll vorbereitet.
Und auf den ersten Blick wunderschön.
Unternehmen schenken ihren Mitarbeitenden einen besonderen Abend.
Vereine, Initiativen, NGOs und private Menschen organisieren Feste.
Tische werden aufgestellt, geschmückt, Kerzen angezündet.
Obdachlose und einsame Menschen werden eingeladen.
Es wird gekocht,
serviert,
gesungen.
Es gibt Päckchen.
Applaus.
Umarmungen.
Für einen Moment fühlt es sich an wie das, was Weihnachten verspricht.
Die Idee dahinter ist traumhaft.
Wirklich.
Und genau deshalb tut es weh, jetzt dazwischenzugehen.
Nicht, weil wir Freude kaputtmachen wollen.
Nicht, weil wir zynisch sind.
Sondern weil Schönes nicht automatisch harmlos ist.
Und weil Glanz manchmal Schatten wirft, die niemand sehen will.
Stellt euch diesen Moment vor:
Die Augen werden größer.
Das Leuchten heller.
Da sitzt jemand, der lange niemanden hatte, der seinen Namen gesagt hat.
Der lange nicht gefragt wurde, wie es ihm wirklich geht.
Für ein paar Stunden ist da Gemeinschaft.
Wärme.
Zugehörigkeit.
Und dann –
irgendwann –
macht jemand das Licht aus.
Die Musik verstummt.
Die Stimmen werden leiser.
Die Stühle werden zusammengeschoben.
Die Organisierenden räumen auf.
Und gehen nach Hause.
Was bleibt, ist Stille.
Nicht diese gute, ruhige Stille.
Sondern die andere.
Die, die laut ist.
Die, die erinnert.
Gerade war da noch Nähe.
Gerade war da noch ein
„Du gehörst dazu“.
Und jetzt sitzt man wieder allein.
Mit all dem, was man für ein paar Stunden vergessen durfte.
Wir sind keine Psychologen.
Keine Traumatherapeuten.
Keine Seelsorger.
Und genau deshalb sagen wir:
Solche Abende sind gefährlicher, als sie aussehen.
Nicht für alle.
Aber für viele.
Denn Gefühle lassen sich nicht einfach ausschalten.
Hoffnung auch nicht.
Und Einsamkeit erst recht nicht.
Wenn das Licht ausgeht,
werden Brücken manchmal zu Gedanken.
Bahngleise zu Fragen.
Scharfe Messer zu Antworten, die keine sein sollten.
Nicht, weil diese Menschen schwach sind.
Sondern weil sie fühlen.
Weil sie erinnern.
Weil sie merken, wie schön es sein könnte –
und wie leer es sich danach anfühlt.
Wir wollen diese Veranstaltungen nicht schlechtreden.
Wir meinen das ernst.
Wir wissen, wie viel Herz, Zeit und Engagement darin steckt.
Aber wir machen uns Sorgen.
Nicht nur bis zum letzten Lied.
Nicht nur bis zum letzten Teller.
Sondern danach.
Und dann gibt es da noch diesen Punkt, über den kaum jemand spricht.
Was ist mit den Vereinen,
die nach langen, ehrlichen, manchmal schmerzhaften Überlegungen sagen:
Nein. Das machen wir nicht.
Vereine wie wir.
Die 365 Tage im Jahr mit Obdachlosigkeit, Armut und Einsamkeit leben.
Die zuhören, wenn es still wird.
Die da sind, wenn niemand klatscht.
Die oft keine Lösung haben –
sondern nur Zeit.
Und Bleiben.
Und Verantwortung.
Wie kann es sein,
dass genau diese Vereine sagen: Das Risiko ist zu groß –
und andere scheinbar den Krug der Weisheit gefunden haben?
Woher kommt diese Gewissheit, dass man alles richtig macht, während man mit der Psyche, den Gefühlen und dem Überlebenssinn von Menschen arbeitet?
Denn hier geht es nicht um Organisation.
Nicht um schöne Konzepte.
Nicht um Social Media.
Hier geht es um Menschen.
Und um das, was in ihnen passiert,
wenn die Tür sich schließt.
Die Organisierenden gehen nach Hause.
Zu ihren Familien.
In warme Wohnzimmer.
In Sicherheit.
Und was bleibt?
Tränen.
Unverständnis.
Fragen.
Warum haben sie das gemacht?
Warum fühlt es sich jetzt schlimmer an als vorher?
War ich nur Teil eines Abends?
Ein Programmpunkt?
Wir haben darauf keine Antworten.
Und wir behaupten nicht, sie zu haben.
Man könnte diese Gedanken endlos weiterführen,
ohne jemanden beleidigen zu wollen.
Ohne mit dem Finger zu zeigen.
Und ja –
es tut trotzdem weh, das zu lesen.
Aber wir sind Profis.
Und genau deshalb sagen wir das.
Nicht um zu verurteilen.
Sondern weil echte Hilfe Verantwortung trägt.
Auch für das, was passiert,
wenn das Licht längst aus ist.
Darüber sollten wir uns alle einmal Gedanken machen.
Wir von UNSICHTBAR e.V. wünschen allen Menschen
eine traumhafte Weihnachtszeit.
Nicht zu verwechseln mit einer weihnachtlichen Trauma-Zeit.
Nicht mit einem warmen Abend, der danach kälter ist als zuvor.
Nicht mit Lichtern, die blenden und anschließend nur Dunkelheit hinterlassen.
Nicht mit Nähe auf Zeit,
die Einsamkeit vergrößert.
Nicht mit gut gemeintem Helfen, das unbeabsichtigt Wunden aufreißt.
Vielleicht ist das Schwerste an Weihnachten nicht das Fehlen von Geschenken.
Sondern das plötzliche Erinnern daran, wie sich Zugehörigkeit anfühlt –
und wie laut es wird,
wenn sie wieder verschwindet.
Wir lassen euch mit diesem Gedanken zurück.
Ohne Lösung.
Ohne Schlussstrich.
Im gedimmten Licht.
Damit man noch einen Moment sitzen bleibt.
Und einfach mal darüber nachdenken kann.