Psychohygiene

Wir kennen das alle, wenn wir uns etwas vornehmen, es aber immer wieder und wieder nach hinten verschieben und uns dann irgendwann darüber ärgern.

Auch kennen wir die Aussage, dass Sand im Getriebe ist, wenn mal wieder etwas nicht so läuft, wie wir es gerne möchten.

Am Samstag war Martina mit mir (Holger) unterwegs in Hagen und eigentlich sollte es nicht nur Hagen bleiben, sondern noch weitergehen, doch nachdem wir gestern bei vielen Menschen „Psychohygiene“ („Pflegemaßnahmen“ für die Seele) betrieben hatten, blieben wir dann doch nur an diesem einen Ort.

Von, ich habe 5 Promille, bis hin zu einem ziemlich hohen Aggressionspotential, über die Freude darüber das einer der obdachlosen Menschen sich über den Geburtstag seines 14 jährigen Sohns so sehr freute und gar nicht wusste, wem er das erzählen könnte, vor allem wem es interessieren könnte, kamen Menschen dazu, die eine Angel am Bahnhof gefunden hatten und uns über ihre Erlebnisse aus ihrer Kindheit mit dem angeln in der Volme erzählen wollten, über ich werde geschlagen, holt doch bitte die Polizei und bis hin zu dem angeblich 18 jährigen jungen Mann, der aber nur so aussah und es in Wirklichkeit ein Mädchen war, die sich wie ein Junge kleidete, um nicht zum Opfer zu werden.

Vom Schlafsack und vielen heißen Suppen, bis hin zu einigen Kaffees sammelten sich immer mehr Menschen an unserem Auto die ein Gespräch suchten, die uns sagten, dass sie manchmal das Gefühl hätten, wie Kleinkinder behandelt zu werden, merkwürdigen Menschen zu begegnen und sich sehr oft nicht für voll genommen fühlen.

Und sehr oft war das Sand im Getriebe – Thema – denn viele von ihnen haben uns ihre Träume erzählt, ihre Vorhaben, ihre Wünsche, was nach diesem Leben kommen könnte, doch in allen Gesprächsverläufen, sagten auch viele von ihnen, oftmals mit einem traurigen Blick, dass ihnen allen das Ziel bekannt ist, nur der Weg, der erste Schritt dorthin, jeden Tag immer schwerer und schwerer fällt.

So saßen wir gestern an einem Fleck stundenlang und unterhielten uns mit diesen Menschen, sahen sie nicht wie Kinder, gingen wie Freunde auf sie zu, schraubten Aggressionen runter, sprachen offen und ehrlich mit ihnen und hörten ihnen zu, schenkten wie immer Vertrauen und gehörten zu denen, die sich für ihre Träume und Erlebnisse, sowie ihr Leben interessierten.

Das dem so war, merkte man deutlich, denn sie wollten gar nicht mehr aufhören zu reden und gingen mit dem was sie uns erzählten immer tiefer und tiefer, sprachen mit uns über Themen, die man nicht mal eben nach 2 Minuten erzählt und fühlten sich, so empfanden wir das für diese Stunden – aufgehoben, angekommen und entspannter.

Es ist so wie bei uns auch – wenn wir dann mal jemanden zum Reden finden, dem wir vertrauen dürfen, es dann passieren kann, dass wir dann auch nicht mehr aufhören zu reden.

Und egal auf welcher Stelle im Leben wir Menschen uns befinden, egal wo wir sind und egal wie wir leben – „Psychohygiene“ tut uns allen gut, man muss nur die richtigen Ansprechpartner finden.