„Arme Menschen sind oft hilfsbereiter als reiche“

Ich hoffe, Sebastian Herrmann von der Süddeutschen sieht es mir nach, dass ich mich bei der Überschrift aus seinem Artikel „Arme Menschen sind oft hilfsbereiter als reiche“ aus der SZ bedient habe.
 
Besser kann man die Erfahrungen, die Andreas und ich (Olli) bei unserer langen Tour durch eine eisige Nacht in der großen Stadt im Tal machen duften, nicht zusammenfassen.
 
Bei unserem ersten Besuch trafen wir nicht nur die Dame, die mehr oder minder geduldet Ihren Schlafplatz in einem Hauseingang gefunden hatte, sondern auch eine junge Frau an. Zunächst sah es nach einem kleinen Besuch unter Freundinnen aus – der Besuch hatte anscheinend sogar etwas Warmes zu Essen mitgebracht. Während unseres Gesprächs erfuhren wir aber, dass wie so oft alles anders sein kann, als es den Anschein hat: Die junge Frau wurde nach einem heftigen Streit von Ihrem Partner schlicht aus der Wohnung geworfen und lediglich mit Ihren Kleidern und einer Tasche hastig zusammengesuchter Lebensmittel in die eiskalte Nacht gejagt. Es ging ihr nicht gut, sie war einfach traurig und verzweifelt Ein guter Mensch in einem nahen Imbiss hatte ihr ein warmes Essen spendiert. An dieser Stelle ein riesengroßes Dankeschön an Euch guten ebenfalls „Unsichtbaren“ in den Restaurants und Imbissen, die Ihr trotz Inflation und knappen Kassen ein riesengroßes Herz zeigt und denen, die wirklich unsichtbar sind, ohne Klicks, Likes und Werbeerfolg ein warmes Essen schenkt.
 
Aber zurück zum Thema:
Anstatt sich über ein warmes Essen zu freuen und eine Schlafstelle anzusteuern, hat die junge Frau Ihr Essen zu der Dame im Eingang gebracht, da sie meinte, diese brauche ein warmes Essen sicher noch dringender. Aber die Geschichte ist an dieser Stelle noch nicht zu Ende erzählt: Die freundliche Dame aus dem Hauseingang hatte tags zuvor unserer neuen Straßenbekanntschaft mit dem letzten bisschen Geld, das sie übrig hatte, Medikamente gegen eine böse Bronchitis gekauft. Ich muss bei solchen Erlebnissen trotz aller Erfahrung immer noch mal kurz nach dem Typen gucken, der mitten in der Nacht auf der Straße Zwiebeln schneidet. Wir konnten mit Tee und Kaffee und Hygieneartikeln noch ein wenig helfen und setzten unsere Fahrt fort.
 
Die Kälte hatte die späten Spaziergänger und Nachtschwärmer längst ins Warme getrieben. Auch die Straßenmenschen versuchten, sich so gut wie möglich zu schützen. Wie wenig das am Ende nutzt, merkten auch wir in unseren wirklich guten Jacken ganz schnell. In einer der besagten dunklen Ecken trafen wir auf einen alten Bekannten, dem es glücklicherweise einigermaßen gut ging und dem wir mit etwas Heißem helfen durften. An dieser Stelle eher unüblich kamen dann zwei weitere Straßenmenschen zu unserem Auto. Der Herr, der so bös mit dem Fahrrad gestürzt war, hatte die Hand in Gips. Gut, dass er sich doch Hilfe geholt hat. Er brachte einen uns neuen Herrn mit, der aber wenigstens eine Wohnung hatte und seinem Freund einen Schlafplatz anbot. Beide bekamen eine Terrine und einen Tee. Unsere neue Bekanntschaft sagt am Ende ganz einfach: „Danke, dass es Euch gibt.“ Geben wir hiermit zurück: Danke, dass es Dich gibt und dass Du jemandem ohne Umstände hilfst.
 
Wir haben es in dieser Nacht geschafft, all unsere Wasservorräte aufzubrauchen und haben so viele heiße Getränke und Terrinen noch an viele, viel zu viele Menschen verteilt, die eher keinen guten Abend hatten.
 
Auf den Fahrstrecken haben wir miteinander die vielen beeindruckenden Erlebnisse besprochen, die man in einem Blog so schwer schildern kann.
 
Es warten in den dunkelsten Ecken ganz sicher viel öfter feine Menschen, als man sich das vorstellen mag. Wir sind dankbar für die Erdung, die wir durch den Kontakt mit den Straßenmenschen immer wieder aufs Neue erfahren dürfen. Und wir sind auch dankbar für eine warme Wohnung, für saubere Kleider und regelmäßige Mahlzeiten und wissen, dass uns von denen, die wir auf der Straße treffen, nichts unterscheidet als vielleicht die eine richtige Entscheidung oder das kleine Quäntchen Glück zum richtigen Zeitpunkt.