Ein langer Text

Ein langer Text, der immer noch zu kurz ist, um all die Emotionen fließen lassen zu können.
Steffi und ich begaben uns heute auf eine Tour, und es fällt schwer, diese Tour anders als ruhig zu beschreiben.
Unser erster Halt führte uns nach Wuppertal, danach nach Hagen. Doch egal wohin wir fuhren, die Straßen waren leer, und Menschen waren kaum welche da, insbesondere jene nicht, denen wir helfen wollten.
Das war im Grunde gut so, denn die Abwesenheit dieser Menschen auf den Straßen ließ vermuten, dass sie vielleicht einen sicheren Ort gefunden hatten. Einige möglicherweise in Unterkünften, andere bei Freunden, oder manche versteckt an Orten, an denen man sie nicht finden sollte.
Während wir über die Obdachlosen auf der Straße sprachen, vertieften wir uns anschließend in Gespräche über uns selbst – warum wir tun, was wir tun, für wen wir es tun, was man von anderen lernt, wie man mit Situationen umgeht und vielen anderen sehr interessanten Gesprächsthemen?
Schließlich endete die Tour, und ich brachte Steffi zu ihrem Auto, dann machte ich mich auf den Weg nach Hause. Nach meiner Rückkehr gönnte ich mir eine erfrischende Dusche und nahm danach Kurs auf mein Bett. Doch gerade als ich meinen Kopf auf das Kissen legen wollte, durchdrang ein Telefonklingeln die Stille.
Raus aus dem Bett, zum Telefon gegriffen, aber zu spät. Beim zweiten Anruf gelang es – am anderen Ende der Leitung war die Polizei NRW Hagen
Sie hatten ein junge Dame aufgefunden und erinnerten sich an mein Vortrag bei ihnen, auf dem ich auch sagte, dass wir bis 5:00 Uhr morgens erreichbar sind.
Und wir sagen nichts, was wir nicht auch halten und das konnten wir dann heute auch mal wieder unter Beweis stellen.
Nachdem ich einen kurzen Überblick über die Situation und auch über die Dame bekam, fuhren wir ins Krankenhaus, in dem die Dame bereits lag und ärztlich versorgt wurde.
(Warum, wieso und weshalb sie dort hinkam, darüber schreiben wir hier nichts.)
Die Gespräche und Augenblicke, besonders jene im Krankenhaus mit der jungen obdachlosen Dame, haben mich tief berührt und nachdem ich ihr einen Rucksack voller nützlicher Dinge gepackt hatte und ich ihr den nicht einfach so vor die Nase stellen wollte, zeigte icj ihr, was in einem Rucksack alles Platz findet: Isomatte, Schuhe, Damenhygieneartikel, Damenunterwäsche, verpackt in einem Damen TOM und vieles mehr. Der Moment, in dem sie lächelte, war kostbar. Doch der Gedanke, dass sie bald wieder alleine auf den Straßen sein würde, ließ mein Herz bluten.
Ich glaube solche Momente wird mein Kopf nie verarbeiten können und auch wenn ich jedes Jahr damit rechne einen toten Menschen im Winter zu finden, der Gedanke das dort auf den Straßen eine junge Frau herumläuft wiegt noch viel schwerer, denn wenn ich mir nur im Ansatz vorstelle, was alles passieren „könnte“ blutet nicht nur mein Herz.
Vier Polizisten und ein UNSICHTBAR e.V. Mensch, waren an diesem Einsatz beteiligt, und die Sorge in den Augen der Beamten war nicht geringer als meine eigene.
Während ich draußen mit zwei Polizisten sprach und von meiner tiefsten Betroffenheit erzählte, dass das jüngste obdachlose Kind, dem ich je begegnet bin, gerade einmal 12 Jahre alt war, spürte ich, wie die Gedanken eines Beamten an seine eigene Tochter ihm Gänsehaut bereiteten.
An diesem Abend fuhr ich eine zusätzliche Nachttour, eine dieser SEO-Touren (Sichtung eines obdachlosen Menschen). Dabei konnte ich sehen, was wir noch verbessern können, um sicherzustellen, dass diese nächtlichen Touren noch effektiver werden. Aber noch wichtiger ist, dass ich erneut erlebte, wie groß das Herz der Polizisten ist und wie sehr sie sich für ihre Arbeit engagieren. Ich bin zutiefst dankbar für unsere wunderbare Zusammenarbeit mit der Hagener Polizei – ein Geschenk, das nicht selbstverständlich ist.
Die junge Dame wurde weiter untersucht, und zwei Beamte blieben bei ihr. Sie erwähnte, dass sie bald Geburtstag habe und es dann weitere Geschenke geben würde. Mein Angebot steht – sie soll sich melden, und wir werden da sein, ebenso wie die beteiligten Polizisten.
Ich bin gespannt, ob sie sich meldet und ich bete zu Gott, dass sie das Leben auf der Straße überleben wird.
Die Nacht war äußerst emotional und hat mich erneut tief berührt, nachdenklich gestimmt, aber auch klar gemacht, was noch getan werden muss, um UNSICHTBAR e.V. noch besser zu machen und als Gründer und Vorstand von diesem, so finde ich, wertvollen Verein – schreibe ich das hier nicht nur, sondern werde es sobald wie möglich umsetzen.
Bis es soweit ist, danke ich allen Polizeibeamten, dass es sie gibt. Hinter ihren schusssicheren Westen verbergen sich wertvolle und mitfühlende Herzen, genauso wie du und ich sie haben. Davon bin ich nach diesem ergreifenden Abend erneut überzeugt.
Nun liege ich im Bett, hätte gerne noch viel tiefer ausgedrückt aber die Emotionen des Abends haben mich so geflasht, so dass auch ich jetzt erst einmal ein paar Stunden für mich haben muss, um dann morgen wieder die Nachtschicht zu übernehmen.