Viel zu hell

Viel zu hell war es gestern für uns Nachteulen, um auf Tour zu fahren und viel zu viel Menschen waren auch unterwegs, so dass gar nicht ersichtlich war, wer nun wirklich Hilfe braucht oder eben nur rumsaß und das warme Wetter genossen hatte.

Nichts für uns aber auch überhaupt nichts für uns.

Da wir uns aber wie gewohnt, einmal in der Woche mit dem DRK Ortsverein Haspe e.V. trafen, die uns begleiten, um genau da zu helfen, wo wir eben nicht helfen können und ganz wichtig, auch gar nicht helfen dürfen, sind wir dann eben auch bei diesem noch sehr hellen Tageslicht los.

Die sehr lieben und freundlichen ehrenamtlichen Mitstreiter des DRK haben auch immer ein frisch gekochtes Süppchen dabei und das Know How wenn es darum geht, kleinere Wunden zu behandeln oder den Menschen zu raten, dass sich auf Grund einer größeren Sache, dann doch einen Arzt besuchen sollten.

Was die ärztliche Versorgung angeht, da sind viele der Meinung, dass ihnen keine ärztliche Hilfe zusteht, weil sie keine Versicherung haben. Das ist so aber falsch. Jedem Menschen steht ärztliche Hilfe zu – wie diese dann, wie und mit wem abgerechnet wird, dass steht auf einem anderen Blatt aber in erster Linie, ist ärztliche Hilfe geboten.

Und dann standen wir da und da wir nicht die sind, die diese Menschen anrufen, um uns mit ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu treffen oder versuchen Massen an obdachlosen Menschen zu finden, um sich dann damit selbst auf die Schulter klopfen zu können, sondern denen helfen möchten, die jetzt und hier ganz besonders Hilfe brauchen, mussten wir dann überlegen, ob es nicht tatsächlich zu früh für uns war, an diesem Abend noch weiterzumachen.

Dann entschlossen wir uns abzubrechen und als wir dann gerade losfahren wollten, begegnete mir mein bekanntes Bauchgefühl, dass mir sagte, doch nochmal einen Versuch zu wagen.

Und wieder einmal erwies sich mein Bauchgefühl als sehr wertvoll und auch das DRK kam zum Einsatz.

Ein Mensch dem seine Hände sehr stark mit Wasserablagerungen gefüllt waren, konnte nur dringendst geraten werden, ärztliche Hilfe aufzusuchen und auch weiteren Menschen die plötzlich zum Vorschein kamen, umso dunkler es wurde, durften wir helfen.

Ganz besonders blieb mir der ältere Herr in Erinnerung, der nur ganz leise sprechen konnte, eigentlich konnte er gar nicht sprechen und eigentlich berühte mich dieser Mensch gestern Abend ganz besonders.

Er war einer von einigen Menschen, dem das DRK eine Suppe schenken durfte und dem wir zeigen konnten, dass er nicht alleine ist. Einer von ein paar Menschen, denen wir durch Zufall begegnet sind, für die wir für den Moment da waren.

Dann, als er seine Suppe hatte, kam er zu mir ans Auto.

Nun stand er neben mir und wollte mir immer seine Suppe geben, was ich verneinte, denn es war ja seine und jedesmal bei jedem Versuch, lächelte er verlegen und freute sich irgendwie jedesmal wenn er die Suppe dann wieder zu sich nahm.

Der Versuch zu sprechen viel ihm sehr schwer und er schien auch verzweifelt zu sein, dass jedesmal wenn er etwas sagen wollte, einfach nichts raus kam. Er war traurig, fast schon kurz vorm weinen – so als hätte er sich über den Augenblick gefreut, jemanden zum reden gefunden zu haben es ihm seine Gesundheit aber nicht gestattet hatte, ein Gespräch zu führen.

Alleine zu sein, auf der Straße leben zu müssen und nicht reden zu dürfen (zu können) was für eine unendliche Einsamkeit muss in diesem Menschen herschen.

Vielleicht liegt es daran, dass ich es ihm sehr gut nachvollziehen kann, wie es ist – sprechen zu wollen aber der Körper dabei nicht mitspielt.

Mit 7 Jahren hatte ich einen schweren Autoumfall, der mich in einen Schockzustand versetzte und mir die Möglichkeit raubte, nicht mehr sprechen zu können. Ich lebte in einer Welt, die alles verstand aber zu der ich nichts sagen konnte. Eine Welt in der ich gefangen war, die alles wahr nahm aber eben keine Worte dafür fand.

Damals war es meine Oma, die es schaffte, dass ich wieder sprechen konnte, die mir soviel schenkte und die mir lehrte wie tief Emotionen gehen können.

Umso mehr kann ich mich in die Situation des älteren Herrn versetzen und umso mehr weine ich mit ihm und umso mehr wünsche ich es ihm, einen Weg aus dieser dunklen und stillen Welt zu finden, um dann über sein Leben reden zu dürfen, über ein Leben, das bestimmt viele Geschichten zu erzählen hat.

Ich würde es ihm so sehr wünschen…