Vielleicht eine kleine Weihnachtsgeschichte

Vielleicht eine kleine Weihnachtsgeschichte, vielleicht auch nur einfach ein ganz normales Gespräch mit einem Menschen, dem wir mal geholfen haben von der Strasse wegzukommen und warum mir dieses Gespräch wahrscheinlich nie aus dem Kopf gehen wird.

Ich erinnere mich immer wieder an Gespräche, die ich und all die, die mit und für UNSICHTBAR e.V. von denen erfahren haben, die auf der Strasse leben.

Wir sind authentisch und sprechen ganz normal mit diesen Menschen, ein DU ist schon selbstverständlich ein SIE auf der Strasse unbekannt, oftmals unbeliebt, zu hoch gestochen, einfach nicht gerne ausgesprochen.

Denn da wo es eigentlich nicht mehr weitergeht, da kann man auch einfach Mensch bleiben.

Vor ungefähr drei Jahren, sprach ich mit einem dieser Menschen.

Vielleicht denkt ihr Euch jetzt – das sowas gar nicht geht, dass man all diese Gespräche, die wir führen, gar nicht behalten können.

Es geht – vielleicht nicht alle aber die ganz besonders tiefsinnigen, die – die unter die Haut gehen und die, die selbst uns – also in dem Fall jetzt mir – weil ich schreibe ja jetzt den Text – also Gespräche die mir Tränen in die Augen bringen.

Sowas meiselt sich ins Hirn, wer sowas nicht verinnerlicht – besteht aus Stein und hat einen Vertrag mit einem Herz aus Eis.

Holger, sagte er damals…
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen uns sehen, auch wenn sie es ja eigentlich tun aber das sie es einfach für sich eingestehen, dass es nicht nur ihre bunte und schöne Welt gibt, sondern auch eine andere – die in der wir leben, die eigentlich genauso bunt ist aber eben auf unsere Art.

Bei uns, sagte er scheint es auch, die Sonne scheint, es stürmt und wenn es regnet, werden alle Menschen nass, auch wir – denn wir sind ja auch Menschen – er schaute mich damals an und fragte nochmal nach.

Holger, wir sind doch auch Menschen – oder?

Na klar seid ihr Menschen und zwar ganz wundervolle Menschen, antwortete ich.

Wenn du das sagst, dann glaube ich dir das, würde es jemand anderes sagen, wüsste ich nicht, ob ich es glauben kann.

Dann erzählte er weiter…

Eure Welt ist genauso bunt, wie die unsere – eure Blickwinkel und Ansichten für verschiedene Dinge sehen farbenfrohe Blumen und das Leuchten in den Augen eurer Mitmenschen aber unsere Augen leuchten hin und wieder auch und auch wenn die Strasse nicht die Fülle an einem Blumenmeer hergiebt, Unkraut kann genauso etwas haben, es ist nicht besonders schön aber es lebt und freut sich über jeden Tag, an dem niemand kommt und es aus der Erde reisst.

Sind wir wie Unkraut für die Menschen, fragte er – sind wir hässlich, nur weil wir woanders leben?

Ich glaube, sagte ich damals – das Unkraut seid nicht ihr, denn jeder der sich ein Bild von Euch macht, doch nicht vorher mit Euch redet, euch kennenlernen möchte, sich für Euch interessiert, der wird die Blume in euch nie entdecken und als Unkraut weiterziehen – nicht ihr seid das Unkraut.

Dann wäre ich ja eine Blume sagte er, schaute mich an und seine Augen wurden ein bisschen feucht.

Schön wäre es, wenn es so wäre…

Weisst du, sagte er – ich habe überall gelebt und nun wollte ich einen letzten Weg gehen, dahin gehen, wo mein Ursprung herkam, dahin zurück gehen, wo mein Leben begann, als alles noch so schön war – als ich aufwuchs und mein Leben anfing zu leben.

Früher schon habe er immer versucht gegen den Strom zu schwimmen, nicht das zu tun, was andere machen, einfach der Lebenskünstler sein, dann irgendwann eine Familie gründen – Kinder zu haben und weil es nicht anders geht, dann eben mit der Gesellschaft mit zu schwimmen oder wie es ihm irgendwann passierte unterzugehen.

An falsche Menschen zu geraten, Alkohol und Drogen auszuprobieren, Menschen zu verlieren, die einen irgendwann nicht mehr kannten und einen Weg einzuschlagen, der eure bunte Welt verlassen würde und stell dir vor, sagte er.

Der schmale Grad zwischen diesen Welten ist sehr, sehr schmal – du machst einmal eine falsche Bewegung und dann befindest du dich auf der anderen Seite.

Und irgendwann sagte er dann…

Ich habe soviel schönes auf meinem Weg gesehen aber auch so sehr viel schlimmes und das schlimmste waren immer die Jahreszeiten, in denen die Menschen uns für einen kurzen Augenblick gesehen haben, in denen sie auf uns zukamen und uns beschenkten, sich vielleicht auch dadurch selber beschenkten und dann wenn diese Zeit, bei euch heisst es das Fest der Liebe – bei uns jeden Tag ein und Tag aus – ein weiteres Jahr, dass wir überlebt haben.

Sobald diese Zeit vorbei ist werden wir vergessen, dann schaute er mich an und sagte:

Mach du doch in dieser Zeit einfach mal Urlaub und erhole dich, auch von Geschichten, wie meine – fahre irgendwo hin – wo du dich wohl fühlst – vielleicht zu deiner Mutter und lebe sie so lange, wie sie lebt.

Sowas geht direkt ins Herz – wer so direkte Aussagen nicht erlebt hat, wird nicht verstehen, wie ich es meine.

Zur Weihnachtszeit geht es uns gar nicht mal so schlecht, sagte er – zur Weihnachtszeit habt ihr ehrenamtliche Helfer, die vielleicht nicht direkt für euren Verein unterwegs sind aber für ihren eigenen Verein, dem Verein das Gefühl zu haben – Gutes tun zu müssen und für diesen Augenblick zu helfen und dieses auch tun.

Was dann aber vergessen wird, ist das die Weihnachtszeit zugegeben auch kalt ist aber der Winter ab Januar bis März oder April so richtig Vollgas gibt – Monate in denen wir wieder nicht gesehen werden, weil das Gefühl Gutes zu tun, verschwunden ist und er sich dann für sich über Menschen wie mich/uns freuen würde, die dann auch noch für ihn da wären und zu ihm, in seine bunte Welt kommen, um zu sehen, wie man helfen kann.

Wieso er weiss, dass meine Mutter weiter entfernt wohnt?

Ganz einfach – sie erzählen mir ihre Geschichten aber ich erzähle ihnen auch meine Geschichte – ein geben und ein nehmen – ein vielleicht in zwei Welten leben aber trotzdem leben diese Menschen ganz nah bei uns – vielleicht in einer anderen bunten Welt aber in einer Welt, in der wir alle leben und die wir uns alles teilen, ob die einen arm oder die anderen reich sind – der Grad dazwischen ist nur ein Hauch breit – die Nächstenliebe aber sollte mächtig breit sein und wir sollten sie nicht vergessen, auch wenn Weihnachten vorbei ist, denn danach geht das Leben weiter, sowie deines auch ihres.

Eins der Gespräche, die ich mit einen hochintelligenten Menschen führte, der mich mit seinem Wissen immer wieder umhaute, der dazu beigetragen hat, mich jeden Tag an seine bunte Welt zu erinnern und was mich dazu treibt, diese immer und immer wieder zu betreten, um nicht das Unkraut zu erblicken, sondern die vielen Farben zu sehen, die in jeder dieser menschlichen Blumen, zu entdecken sind.

Ein langer Text – hatten wir schon lange nicht mehr aber wenn ich mich daran erinnere, berührt er mich immer und immer wieder zutiefst – vielleicht habe ich Euch mit diesen Zeilen ein bisschen etwas rübergebracht, dass Euch berührt – was Euch nachdenken lässt – nachdenken lässt, wie diese Blumenwiese derer aussieht, die oftmals mit Unkraut verwechselt werden.