:: Langer Text aber nicht anders zu beschreiben ::

Verletzt
Verzweiflung
Traurigkeit
Gedanken

Nur ein paar von vielen Dingen, die wir auf der Tour von Donnerstag auf Freitag erlebt haben, gespürt und gesehen haben.

Zusammen mit Andreas Steinhof und Kim Meiritz, war ich heute auf der Straße unterwegs, dort wo wir gerne und immer sind, dort wo wir immer etwas Neues erleben, erfahren und zu Gesicht bekommen.

Heute trafen wir auf zwei junge Menschen, zwei Menschen, die sich auf der Straße kennengelernt haben, zwei Menschen, die ihr Leben noch vollkommen vor sich haben, ein Leben, dass schon soviel erlebt hat, soviel gefühlt hat, soviel Schmerz ertragen musste, dass es selbst für mich, nicht wirklich umsetzbar gewesen ist, zu verstehen, wie zwei so junge Menschen, all das bisher verkraftet haben.

Er, gerade mal 19 Jahre alt, lebt seit er 13 war, auf der Straße.

Seine Eltern schlugen und verprügelten ihn regelmäßig und hatten zudem ein ernsthaftes Suchtproblem.

Seine Eltern, die will er nicht mehr kennen und irgendwie habe er sie auch nie gekannt, denn die Drogen haben aus seinen Eltern, Monster gemacht und dort würde er nie wieder zurück wollen.

Wir haben noch mehr über ihn und seine Geschichte erfahren aber darüber sprechen wir hier nicht, dass haben wir versprochen.

Sie, ist 24 Jahre alt und lebt auch schon länger auf der Straße.

Wie lange?

Das wüsste sie schon gar nicht mehr.

Probleme im Elternhaus, auf die wir hier auch nicht eingehen, ließen ihr keine andere Wahl, als damals auf die Straße zu gehen und dort zu leben – lieber dort – als bei den Eltern.

Er schien seine Geschichte besser zu verpacken, im Gegensatz zu ihr, die bei ihren Erzählungen immer wieder den Kopf senkte und in Gedanken verfiel.

Über eine Anlaufstelle, hilft man den beiden, beim ausfüllen von Dokumenten, bei Behördengängen aber was die Nächte angeht, da sind die Gedanken jedesmal, wenn es Abend wird, wieder neu.

Erst kürzlich hatten sie eine leere Garage gefunden, die sie aber schnell wieder verließen, weil sich dort bereits Familie Ratte eingenistet hatte.

Ich weiss gar nicht wo die alle hergekommen sind, sagte sie aber soviel auf einmal hätte sie noch nie gesehen.

Dann fanden sie einen anderen Schlafplatz, der wurde jedoch verraten, durch jemanden, der neidisch war, nun ist dieser verbrannt.

So sagt man, wenn etwas aufgefallen ist, wo man nicht mehr hin kann und wenn man es doch tun würde, mit Strafen rechnen müsse.

Kennengelernt hat Andreas und Kim die beiden, als sie angesprochen wurden, ob sie nicht vielleicht 0,90 Cent übrig hätten.

Hatten sie nicht, dafür aber nachdem sie die beiden mit zu unserem Fahrzeug brachten, sechs Ohren die ihnen zuhörten und sich für sie interessierten.

Heute Nacht würde schwierig werden, mal sehen wohin sie gehen würden.

Wir haben den beiden Informationen, wo sie unterkommen könnten, wohin sie aber nicht wollten, weil sie dort getrennt werden würden, nicht in einem Bett schlafen dürften, nicht den Rest von Nähe spüren könnten, den sie eigentlich nie bekommen hatten.

Wir gaben ihnen ein Zelt, einen Schlafsack (die anderen hatten wir schon vorher vergeben) und auch unsere TOM’s bekamen sie und weil der Bauch knurrte, gab es auch was für den Magen.

Nachdem Kim dem jungen Mann dann noch die riesige Blase am Fuss versorgt hatte, war das Leben der Beiden, zumindestens für den Augenblick ein bisschen besser.

Wir waren jung und ja wir waren auffällig aber wir haben gelernt und die, die uns hätten helfen können, die haben nie verstanden, dass man sich ändern kann, für die waren wir immer und bis zum heutigen Tag auffällig, sagte sie traurig und senkte wieder ihren Kopf.

Kim und Andreas treffen die beiden demnächst wieder, sie kann jetzt auch telefonieren, weil es oben drauf noch ein Handy gab.

Und dann stand plötzlich ein weiterer junger Mann neben Andreas, ob wir etwas zu essen haben, fragte er oder vielleicht etwas Geld, damit er sich etwas zu essen kaufen könnte.

Er läuft den ganzen Tag durch die Gegend. Platte machen hätte heute gar nichts gebracht und er habe so einen großen Hunger, wenn er nichts zu essen bekommen würde, würde er na ja – man nennt das Beschaffungskriminalität, was wir – solange wir dort waren aber definitiv nicht zugelassen hatten und Andreas nochmal losgezogen ist und ihn etwas zu essen zu kaufen.

Dieser Abend war ein Abend von ganz vielen anderen Abenden aber er war anders, besonders, intensiver und er war schmerzlich und sehr Gedanken intensiv.
Der Versuch sich auch nur ein kleines bisschen in das junge Paar hineinzuversetzen gelang nicht, weil es unmöglich war, auch vom Kopf her, der das alles gar nicht verstehen wollte, über ein so extremes Leben in so jungen Jahren nachzudenken.

Manchmal ist irgendwie alles anders und wenn man dann doch darüber nachdenkt, stellt man immer wieder fest, dass selbst wenn man denkt, es geht einem schlecht, es da draussen Menschen gibt, denen es wirklich schlecht geht.

Genießt das was ihr habt, denn es gibt hinter dem Vorhang so sehr viel schlimmes, derer die sich vieles von dem was ihr fühlt, noch fühlen könnt, spürt und in euch tragt wünschen würden, es auch um sich herum zu haben, ihnen ihr Schicksal es ihnen aber nie gegeben hat und die damit Leben müssen, es aber hoffentlich irgendwann verarbeiten können und nicht in ihrer Traurigkeit versinken werden.

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