Da weiß man nicht, ob man die Heizung anmachen soll

Da weiß man nicht, ob man die Heizung anmachen soll, das Fenster runter oder doch vielleicht besser wieder rauf.

Das Ein- und Austeigen geht an die Substanz – kalt / warm – kalt / warm und egal wie man sich entscheidet, eines bleibt im Kopf hängen.

DU kannst dich entscheiden, ob DU es jetzt lieber etwas wärmer oder eben doch etwas kühler haben möchtest, den Menschen – mit dem du da gerade auf der Straße gesprochen hast, der von dir einen Schlafsack, eine Isomatte, etwas Warmes zu trinken bekommen hat – DIESEM Menschen steht diese Auswahl nicht zur Verfügung, DIESEM Menschen ist und bleibt es kalt und dann setzt du deine Fahrt vor, weiter zu den nächsten Menschen, denen du helfen möchtest, denen du gerne etwas von der Entscheidung da lassen würdest, zwischen warm und kalt entscheiden zu können.

Wir, Andreas Steinhof und ich waren gestern wieder auf Tour.
Aus einer kleinen Runde, wurde dann doch wieder eine etwas größere – denn die Sucht helfen zu wollen, zu dürfen und auch zu können, lässt einen nicht los und lässt es auch nicht zu, nach einer Stunde wieder nach Hause zu fahren, wenn es da draußen doch noch so viele Menschen gibt, die sich über dich freuen, wenn du ihnen mit etwas Wärme und einem offenen Ohr begegnest.

So auch gestern irgendwo in #Hagen, als wir Andrej begegnet sind.
Ein Mensch, der auf einer Parkbank sitzt, aufspringt, sich die Beine vertritt und sich dann wieder hinsetzt und versucht sich in seine eigentlich viel zu dünne Jacke einzumuckeln, macht das nicht, weil er irgendwelche Turnübungen praktiziert, sondern weil da was hinter steckt.
Und unser Bauchgefühl hat uns auch da nicht im Stich gelassen, denn Andrej ist #obdachlos.

Vor vielen Jahren verlor er seine Familie auf tragische Weise, er war noch viel zu jung, um das Geschehene überhaupt zu verstehen und traf darauf hin, auch noch die falschen Freunde und fing an hier mal und dort mal einen über den Durst zu trinken. Damals nahm mir das den Verlust meiner Eltern aber geholfen hat es ihm nicht wirklich, außer dass es ihn noch verletzlicher gemacht hatte als schon zuvor.
Dann sollte sich seine Welt ändern und er lernte die Frau seiner Träume kennen, eine Person, die ihn so nahm, wie er war – mit all seinen Ecken und Kanten und dann geschah ein kleines Wunder. Andrej wurde Papa, doch das Glück sollte nicht lange anhalten, denn mit dem Papa werden und mit all den Verpflichtungen, die ihm zu viel wurden, kam auch der Alkohol zurück und um die kleine Tochter vor ihrem eigenen Vater zu schützen, trennte sich das kurze Familienglück und er landete auf der Straße.
Hin und wieder darf er bei Freunden schlafen aber Corona auf so engem Raum sorgt dafür, dass er nicht all zu oft bei diesen Freunden schlafen kann, außer vielleicht mal um zu duschen und sich einen Kaffee zu trinken.

Er hat einen Platz gefunden, da hinten im Wald, wo genau wollte er nicht sagen, aber er wüsste nicht, wie er sich vor dem Wetter, dem Schnee und der kalten Luft schützen sollte.

Das haben wir geändert – nicht das wir uns einfach mal nur zu ihm hingesetzt haben und uns seine Geschichte ausgiebig angehört haben, ihn einfach mal reden ließen, auch haben wir ihm ein Zelt, einen Winterschlafsack, eine Isomatte und noch einen warmen Tee mit auf seinen Weg gegeben, der ihn hoffentlich nicht nur von gestern auf morgen und übermorgen durch die kalten Nächte bringt, sondern auch seinen Weg wieder nach oben gehen lässt, raus aus der Sucht und wieder rein ins normale Leben.

Wir werden weiter nach ihm schauen.

Auf unserem weiteren Weg, der uns aus Hagen herausführte, durch den #Ennepe-Ruhr-Kreis und nach #Wuppertal führte, begegneten wir noch dem ein und anderem uns bekannten Menschen, dem wir ebenfalls etwas Warmes zu trinken anbieten durften und dann stand da jemand in einer offenen Tür.

Andreas kannte ihn, er nutzte die defekte Tür, die sonst verschlossen blieb und stand an der Säule, die warme Luft in seinen Rücken pustete.

Willst du da die ganze Nacht stehen bleiben, fragten wir!?

Wenn es sein muss und ich dann nicht frieren muss, bleibe ich hier stehen, sagte er.

Ein Schlafsack wäre super aber da er Platzangst habe, käme dieser nicht in Frage – auch sein gesundheitlicher Zustand lies zu wünschen übrig – seine Beine und Arme waren voller Wasser, weil seine Drogensucht, ihm seine Venen zerstört habe, aber er würde das schon packen und das würde schon wieder – er war klar im Kopf und man konnte sich ganz normal mit ihm unterhalten. Einen Arzt hinzuzuziehen, könnten wir machen, würde aber nichts bringen, weil er eh nicht mitfahren würde.

Ja und dann stand er da, wärmte weiterhin sein Rücken und wir verabschiedeten uns in die Nacht, zu denen, die wir sichtbar machen möchten, zu denen, denen wir helfen, helfen können aber auch zu denen, die sich nicht helfen lassen wollen, sich aber trotzdem freuen, dass wir nach ihnen schauen.

Anmerkung: Jegliche Namen die wir nennen, von den Menschen, denen wir helfen – entsprechen nicht den richtigen Namen, um die Persönlichkeit, der einzelnen Personen zu schützen.