Guten Morgen

Guten Morgen, hier nun der Bericht unserer gestrigen Tour, die ich mit Regine Sonnleitner und Daniel Brocke, Reporter bei Radio Hagen gefahren bin.

Regine schreibt Euch aus Ihrer Sicht, wie diese Tour war.

Einen kleinen Einblick in die Welt der Obdachlosigkeit wollte Daniel Brocke, Reporter bei Radio Hagen von uns bekommen.

Also nahmen wir Daniel heute Nacht mit auf Tour. Man ist schnell beim Du, denn auf der nächtlichen Straße gibt es kein Sie . Er stellte uns viele Fragen, die wir auch gerne beantworteten.

Eine Frage jedoch kam immer wieder auf.

„Wie kommt ihr damit zurecht, wenn ihr diese Menschen seht und ihre Geschichten hört?“

– Doch dazu später mehr. –

Keine Nacht ist wie die andere. Heute besuchten wir erst Plätze, um nach bekannten Gesichtern zu sehen. Wir fragten unsere Schützlinge im Vorfeld, ob Daniel Fragen stellen darf, weil uns das sehr wichtig ist.

Wenn derjenige nicht einverstanden ist, dann ist dieses auch für uns nicht möglich und muss akzeptiert werden. Doch wir nahmen Daniel mit und auch ohne Mikrofon, kam er ins Gespräch.

Meist wurden ihm erst mal selbst Fragen gestellt und trotz einer anfänglichen Unsicherheit fand er schnell den Faden zu einem Gespräch. Es ist wichtig, dass diese Menschen eine Art Verständnis finden, bevor Sie bereit sind zu reden. Sie wollen genau wissen, um was es geht und warum.

Sind Sie mit der Antwort zufrieden, sprechen Sie auch gerne. Es waren heute intensive Begegnungen die wir hatten und wo wir auch mit etwas heißen helfen konnten.

Auch entdeckten wir einen uns unbekannten Mann, der noch nicht lange auf der Straße lebt. Er bekam ein Komplettpaket und auf die Frage von Daniel wie er den Umgang der Menschen auf ihn empfindet, sagte er:

„Ich bin für sie ein Geist, ich werde nicht gesehen. Wenn ich nach Geld frage, bekomme ich keine Antwort. Man könnte mir doch zumindest sagen, nein bekommst du nicht oder habe ich nicht.

Doch die Frage steht im leeren Raum als würde ich nicht existieren. Es muss ja auch kein Geld sein, auch eine Kleinigkeit zu Essen oder ein Getränk, darüber würde ich mich freuen. Doch für sie bin ich ein Geist.“

Ich beobachtete Daniel und ich sah wie er schluckte. Hier kam wieder die Frage auf. „Wie kommt ihr damit zurecht, wenn ihr diese Menschen seht und ihre Geschichten hört?“

– Doch dazu später mehr. –

Eine Dame erzählte uns von ihrer Wohnung. Daniel grübelte. „Sie hat doch erzählt, sie hat eine Wohnung.“
Tja auch hier konnten wir weiterhelfen. Denn Menschen auf der Straße betiteln ihre Plätze als ihr zu Hause, als Wohnzimmer, als Wohnung. Damit ist keine Wohnung mit vier Wänden gemeint und einem Dach über den Kopf, sondern ein eigenes kleines Plätzchen, versteckt, dass sie immer wieder aufsuchen. Oftmals betreten wir Ihr Wohnzimmer oder werden hinein gebeten.

Zu diesem Zeitpunkt wollten wir Daniel eigentlich wieder bei seinem Auto abladen, denn wir hatten einen Einsatz noch außerhalb. Spontan fragten wir ihn ob er Lust hätte mitzukommen, um einen tieferen Einblick in unsere Arbeit zu erlangen. So kam es, dass er weiter bei uns blieb.

Wir fuhren an unserem Lager vorbei, packten noch einige Sachen ein die wir benötigten. Als wir ihn alles zeigten, auch unsere Miniaturen der Kosmetikartikel, kam wieder eine Frage auf. „Warum nur so kleine Sachen, die halten doch nicht lange?“ Die Frage habe ich ihm direkt beantwortet und zwar so.

„Was machen wir als erstes, bevor wir uns anziehen, Waschen, Essen? Wir öffnen einen Schrank.
Der Schrank der Obdachlosen ist eine Tüte und eventuell ein Rucksack. Da ist nicht viel Platz darin, also was sollen sie mit vielen großen Flaschen und vielen Klamotten.
Sie können es Tagsüber nicht an ihren Schlafplätzen lassen, denn dann wird es gestohlen.“

Unser nächster Einsatz führe uns in den tiefsten Wald. Man fühlte sich wie auf einer Nachtwanderung. Nur mit einer Taschenlampe, Regen der uns langsam zwischen den Bäumen erreichte und irgendwie auch eine unheimliche Atmosphäre. Denn man erwartete, dass jeden Moment irgendein kleines Kriechtier/ Prontosaurus, um die Ecke schaut. Doch das sind wir UNSICHTBAR e.V, wir gehen in die kleinsten, dunkelsten Ecken wenn wir etwas versprechen.

Nach etwas längerem Suchen und stolpern über verschiedene Wurzeln, konnten wir jedoch auch hier, die gewünschten Hilfsmittel abliefern.

Noch kurz besuchten wird das „Schlafzimmer“ eines sehr gelehrten älteren Herrn, der schon die halbe Welt bereist hat, sieben Sprachen spricht und trotz allen, hatte das Schicksal auch vor ihm keinen Halt gemacht.

Dann ging es Richtung Heimat und Daniel hatte noch eine Menge Fragen für uns. Doch wir entschieden, nun sind wir erstmal dran.

Was uns interessierte war; ob die Nacht mit uns seinen Erwartungen entsprochen hat.

Darauf sagte er. „Ich hatte keine Erwartungen. Ich hatte nicht mal erwartet, so nah dabei zu sein.“ Weiterhin erstaunte Daniel, die Freundlichkeit und Dankbarkeit dieser Menschen, bei jedem aufs Neue.

Doch eine seiner Fragen steht immer noch offen:

„Wie kommt ihr damit zurecht, wenn ihr diese Menschen seht und ihre Geschichten hört?“

Eine gute Frage, die uns auch sehr häufig gestellt wird und viele interessiert.

Ich möchte es mal so erklären.

– Ohne uns gegenseitig zu vertrauen und zu unterstützen, könnten wir es nicht tun.

– Ohne dass wir unsere Gefühle und Erlebnisse der Nacht, noch einmal Revue passieren lassen um es aufzuarbeiten, könnten wir es nicht tun..

– Ohne ein Mitgefühl und auch Feingefühl, könnten wir es nicht tun.
Was jedoch ganz wichtig ist.

Wir alle helfen aus Überzeugung weil wir es wollen und können, im Hier und Jetzt – ohne zu fragen warum und weshalb.

Einfach, weil es jeden einzelnen von uns am Herzen liegt.

Auch erzählten wir Daniel, wie man den Menschen auf der Straße richtig helfen kann. Ganz wichtig! Gerade jetzt wo es kälter wird, und zwar, in dem man bei Organisationen, die sich auskennen, sich die Informationen holt, um auch gezielt und vor allem richtig zu helfen.

Ein kurzer Anruf z.b. bei uns, und man bekommt Auskunft. Denn falsche Hilfe, auch wenn sie gut gemeint ist, kann tödlich sein.

Auch die Möglichkeiten wie man uns unterstützen kann interessierte ihn.

Unser Wunschzettel bei Amazon, die Möglichkeit über Amazon smile zu bestellen und voller Freude berichtete Holger noch von unserem Buch „Unsichtbare Weihnacht“ das viele Autoren gemeinsam für Unsichtbar e.V. geschrieben haben und dessen Erlös komplett gespendet wird.

Es gibt noch mehr Möglichkeiten, schaut einfach mal auf unserer Homepage vorbei.

Mit sehr vielen Eindrücken, brachte ich Daniel zu seinem Auto. Er hat uns zugesagt, dass er sich in den nächsten Tagen bei uns melden wird, um zu berichten wie die Nacht mit uns, in ihm nach geklungen hat.

Viel länger als normal, eine Tour unter der Woche dauerte, haben wir nun 4.50 Uhr und der Bericht ist fast zu Ende geschrieben. Auch dies ist eine Art der Aufarbeitung. Einer braucht ein Eis, die andere schreibt den Bericht.

So endet wieder eine Nacht mit vielen verschiedenen Facetten, einzigartig in den Erlebnissen und Eindrücken und einem Gefühl das auch Freude macht, denn wir haben geholfen.

Doch eines vergesse ich nicht am Schluss.

Ein Danke an Daniel, dass er sich die Zeit genommen und uns so interessiert begleitet hat.

So und nun fix ins Bett- jetzt muss erstmal geschlafen werden. Euch einen wunderschönen guten Morgen und uns einen erholsamen Schlaf.