Langer Text – Lange Tour

Langer Text – Lange Tour
05:30 Uhr eine Tour geht zu Ende
Eigentlich sollte es eine ganz normale Tour werden, so eine, die wir in der Woche eben fahren.
Start gegen 21:00 Uhr und dann auf in eine Stadt, in dem Fall heute nach Bochum, um dort zu schauen, ob und wie wir helfen dürfen.
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt!
Doch nun erst einmal von Anfang an.
Wir, Tanja (Tagliatella Carbonare) und ich hatten heute einen Gastfahrer mit an Bord.
Robin Scheffel, Geschäftsführer von SIGOR Licht GmbH wünschte sich eine Fahrt mit uns zu den Menschen, zu denen wir täglich hinausfahren, um zu schauen, wie die tägliche Arbeit von UNSICHTBAR e.V. aussieht, und mit uns zusammen zu schauen ob es ihnen gut geht oder ob sie eben etwas brauchen, was wir ihnen geben dürfen.
Schon im letzten Jahr hatten wir ein Gespräch über dies und jenes, gemeinsame Gedanken, wie Robin Scheffel, UNSICHTBAR e.V. unterstützen kann oder könnte.
Heute war dann nun der Tag, an dem er mitfuhr, weitere Gespräche werden folgen.
Gegen 21:00 Uhr, fing dann unsere Tour an und ging erst einmal nach Bochum, zu einer Dame, die uns Desinfektionsmittel schenken wollte, welches wir an obdachlose Menschen weiterreichen sollten und obendrauf gab es noch eine Barspende, über 20,00 Euro – dafür an dieser Stelle nochmals herzlichen Dank.
Und dann ging es weiter in die Innenstadt, welche heute aber sehr ruhig war, am Bahnhof saßen einige obdachlose Menschen, die aber zu diesem Zeitpunkt bereits von einer anderen Einrichtung versorgt wurden und somit machten wir uns weiter, in Richtung Innenstadt.
Auf dem Weg dorthin, erreichte uns eine Meldung aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis.
Dort hatte eine Familie einen obdachlosen Herrn angetroffen und ihn mit zu sich nach Hause genommen, ihm etwas Warmes zu trinken und essen angeboten und ganz viele offene Ohren, die ihm zuhörten, doch was danach mit ihm geschehen sollte, wussten sie nicht und riefen uns an.
Wir versprachen nach unserer Tour durch Bochum, dort vorbeizuschauen und uns mit an den Tisch zu setzen, um zu überlegen, was als nächstes passieren wird.
Währenddessen fanden wir eine Stelle vor, die vor gar nicht all zu langer Zeit verlassen wurde – ein offen gelegter Schlafsack, ein angebrochenes Getränk und ein paar Essenvorräte lagen dort, doch der Bewohner, dieses Wohnzimmers, war weit und breit nicht zu sehen.
Wir entschieden uns eine zu rauchen, um auf ihn oder sie zu warten, vielleicht war er ja nur mal kurz um die Ecke, um etwas zu erledigen, doch auch nach einer längeren Zeit kam er nicht und wir machten uns weiter auf den Weg und fuhren einmal durch die Innenstadt von Bochum und zu einer uns bekannten Stelle, aber auch dort war niemand zu finden und dann ging es für uns zu der Meldung.
Dort angekommen, saßen in gemütlicher Atmosphäre, ein Teil der Familie an einem Tisch und tranken Tee und unterhielten sich mit dem obdachlosen Herrn, der ihnen seine Geschichte erzählte.
Dann wurde ich vorgestellt, sie berichteten ihm schon vorher, was wir machen und wie wir helfen.
Hier durften wir mit einem Schlafsack und einer Isomatte helfen und damit er nicht auf der Straße schlafen muss, wurde ihm ein Platz in einer Gartenlaube angeboten, die ich bereits kannte und die auch gut isoliert schien, so daß er heute Nacht nicht frieren muss.
Morgen dann möchte er sich wieder auf dem Heimweg machen, zurück in seine Wohnung, doch wie diese Wohnung aussieht, das verriet er nicht und ob diese Wohnung ein Dach hat oder freien Blick in den Sternenhimmel gewährt, auch das blieb für uns unbeantwortet.
Herzlichen Dank, an die Familie, die ihm offene Ohren, etwas Warmes zu essen und zu trinken gab, sowas ist heut zu Tage sehr selten und man sollte sich ein Beispiel daran nehmen, denn es kann jeden von uns treffen und irgendwann vielleicht kommt der Tag, an dem auch wir und wünschen würden, eine solche Familie auf unserem Weg zu treffen, die uns in ihr Haus einlädt und uns Wärme, ein offenes Herz und Ohr schenkt und sich Zeit für uns nimmt und sich überlegt, wie man weiterhelfen kann.
Dafür an dieser Stelle herzlichen Dank – für dieses unglaublich große Gefühl von Nächstenliebe!
Dann wäre unsere Tour eigentlich zu Ende gewesen, doch wie Olaf in seinem Bericht von gestern geschrieben hatte, war da noch der Herr, der mit einem RTW ins Krankenhaus gebracht wurde und zu dem wir heute einen Kontakt aufbauen konnten, um uns zu erkundigen, wie es ihm geht.
Sicherlich gibt es das sowas wie Datenschutz, aber wir wären nicht UNSICHTBAR e.V., wenn wir scheinbar unmögliche Dinge nicht einfach mal angehen würden, um dann zu erfahren, was wir erfahren möchten.
Tatsächlich haben wir den Herrn ans Telefon bekommen und konnten uns erkundigen, wie es ihm geht, doch war da dann noch der andere Herr, der – der mit ihm auf der Straße in seinem Wohnzimmer schläft und der sich Gedanken machte, was denn nun mit ihm ist.
Telefonisch erreicht hatten wir ihn nicht, um ihm mitteilen zu können, dass soweit alles gut ist und deshalb entschieden wir uns dann unsere Tour noch weiter fortzusetzen, um die Nachricht persönlich zu überbringen.
Kurz meine beiden Mitfahrer gefragt, ob das noch in Ordnung wäre und nach einem gemeinsamen ja – ging es dann weiter.
Vor Ort angekommen, staunten wir alle drei nicht schlecht, als nicht wir etwas mitteilen durften, sondern uns mitgeteilt wurde, dass er sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen hatte und wieder da war.
Eigentlich gut aber irgendwie auch nicht, denn die Stimmung an dem Abend war nicht so unglaublich positiv.
Ein weiterer Herr, der sich zu den Beiden dazu gesellt hatte, störte die Beiden – er passte nicht in die Runde, brachte etwas Unruhe in das Ganze hinein und nach Mehrmaligen bitten, von einem der anderen Herren, nun auch mal einen Punkt zu machen und einfach mal aufzuhören zu reden, sprach er ununterbrochen weiter, was die Stimmung nicht gerade positiv beeinflusste.
Es lag etwas Grobes in der Luft und uns hielt etwas dort, was ich so eigentlich gar nicht beschreiben kann – wir hatten einfach das Gefühl eine Zeit dort verbringen zu müssen, damit das Ganze nicht irgendwann eskaliert und sich die negative Stimmung so sehr aufreibt, dass der eine dem anderen auf seine Art und Weise deutlich macht, dass er einfach nur seine Ruhe haben möchte.
Alle bekamen einen Kaffee, etwas zu essen und ganz viel Zeit und ganz viele offene Ohren und auch warme Worte, die die Situation etwas beruhigen konnten.
Der Herr, der aus dem Krankenhaus kam, bat Robin darum, dass ich nochmal zu ihm kommen sollte, weil er mir etwas sagen wollte.
Sie lagen mittlerweile etwas weiter auseinander, weil der Mensch, der ohne Punkt und Komma über alles Mögliche gesprochen hatte, so nervig für die Beiden war, dass der Herr aus dem Krankenhaus, sich ein Stück weiter hingelegt hatte, um zur Ruhe zu kommen.
„Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll aber ich haben im Krankhaus unglaublich viel geschlafen und dann machte mich ein Pfleger wach, um mir zu sagen, dass sich jemand nach mir erkundigt hatte, jemand der sich Sorgen machte, ob es mir gut geht, und dieser Pfleger legte mir ein Telefon aufs Bett, mit einem Zettel und einer Nummer, auf der dein Name stand.
Ich weiss gar nicht was ich in dem Moment dachte und natürlich habe ich angerufen aber dieser Augenblick war so einzigartig für mich, ich kann dir gar nicht sagen, wie erstaunt ich war.
Da war jemand, der sich Sorgen um mich macht, jemand der alles versucht hat, um mich zu erreichen, um zu erfahren, wie es mir geht.
Das kenne ich nicht und habe ich auch schon lange nicht mehr gefühlt, dass es da jemanden gibt, der sich um mich sorgt“
Momente, die ich Euch mit seinen Worten wiedergeben darf, aber auch Momente, die uns dreien in dieser Situation, die Sprache geklaut hatte, denn sie gingen tief, sehr tief und das eiskalte Wetter, dass an diesem Abend herrschte, war für einen kurzen Augenblick vergessen, denn uns dreien wurde für einen Augenblick sehr warm ums Herz.
Momente in den wir wieder und immer wieder die Bestätigung bekommen, genau das Richtige zu tun.
Doch die gesamte Stimmung war noch nicht wieder runtergefahren, der Herr aus dem Krankenhaus, zitterte vor Kälte und die beiden anderen Herren, mochten sich immer noch nicht so gut leiden, dass man sagen konnte – so wir fahren mal – passt auf Euch auf.
Der Moment war noch nicht da – wir fuhren zwar weiter, versprachen aber anschließend noch einmal zurückzukommen, um nachzuschauen, ob alles gut war.
Also ging unser Weg weiter – ich hatte noch etwas auf dem Herzen liegen und auch wenn es schon kurz vor Zwei war, ich musste da noch etwas erledigen.
Zu Weihnachten, an Heiligabend, als wir Pakete verteilten, trafen wir auf zwei obdachlose Personen, eine war weiblich, die andere Person männlich.
Als die weibliche Person ihr Paket auspackte, fand sie ein Kuscheltier und freute sich sehr darüber und meinte noch dazu – endlich habe ich jemanden, der mir zuhört und man hörte den Herrn in seinem Paket wühlen und dann sagen.
„Ich habe auch ganz viel schöne Sachen aber was fehlt ist das Kuscheltier“
Und seine Augen konnte ich nicht vergessen, es waren traurige Augen, von einem erwachsenen Menschen, der sich so sehr über ein Kuscheltier gefreut hätte.
Heute dann fuhren wir nochmal zu ihm hin und er war schon tief und fest am Schlafen. Meine Begleiter blieben im Auto sitzen und ich ging zu ihm hin, sprach ihn leise an und sagte.
„Hey, ich mag dich gar nicht wecken, aber ich habe hier jemanden für dich, der möchte dein Freund werden“
Und er öffnete seine Augen, schaute mich an und ich gab ihm ein Kuscheltier – ein kleines weißes Pferd, mit einem Glöckchen und einer Weihnachtsmütze.
„Das ihr daran gedacht habt, macht Euch einzigartig“ sagte er, nahm sich das Kuscheltier, drückte es an sich und schlief wieder ein.
Ich glaube Tanja, die gesehen hatte, wie ein Lächeln über seine Lippen ging, war in dem Augenblick sehr von diesem Moment ergriffen und lies ihr Herz um ein paar Schläge schneller schlagen.
Und wieder alles richtig gemacht.
Danach ging es nochmal zu den Herren und es war ruhiger geworden, so dass wir nur noch kurz an ihnen vorbeifuhren, ich noch kurz einmal ausstieg, um zu schauen, ob es dem Herrn aus dem Krankenhaus, einigermaßen gut ging und wir dann unsere Heimfahrt antraten.
Robin, der uns begleitete war von Anfang an mit vollem Herzen dabei, so als wäre er schon hunderte Male mit uns rausgefahren – er ging auf die Menschen zu, hörte ihnen zu und es war ihm genauso wichtig wie uns, dass alle die, die wir angetroffen hatten, gut versorgt waren.
Auch an dich Robin, einen riesigen Respekt, dass du einfach du warst und ohne lange zu Fragen, einfach mit angepackt hast und diese Menschen gesehen hast und ihnen deine Zeit geschenkt hast.
Wieder einen sehr wertvollen, herzlichen und emphatischen Menschen kennengelernt – Danke dafür.
Aber das war noch nicht das Ende.
Auf dem Rückweg hatte ich laut darüber nachgedacht, gleich wenn ich meine Begleiter nach Hause gebracht hatte, nochmal zu den Herren zu fahren, um zu schauen, wie es ihnen geht – dass jedoch lies Tanja nicht zu und sie entschied sich mitzufahren.
Normale Tour – na ja und dafür das Tanja gegen 8:00 Uhr einen Termin hat – wow – auch hier finde ich keine Worte, für diesen Einsatz – ich kann es nicht oft genug sagen aber das gesammte Team von UNSICHTBAR e.V. ist einfach nur der Hammer.
Wir brachten Robin zu seinem Fahrzeug, wendeten und fuhren nochmal zu den Herren zurück, die bereits zur Ruhe gekommen waren und schliefen – wir waren beruhigter und fuhren im Anschluss auch nach Hause.
Die Straßen wurden immer glatter, der Schnee setzte ein und die Müdigkeit klopfte dann auch irgendwann an, doch die Gedanken dieser Tour, die aus Herzlichkeit, Nächstenliebe, teilweise auch nicht so schönen Augenblicken bestand, lies all das vergessen und ja auch wenn ich hier gleich einschlafe – es war wieder eine dieser Touren, die noch lange in unseren Köpfen hängen bleibt und auch wenn das jetzt komisch klingen mag und ich gleich in mein Bett gehe und mir einen meiner Teddys schnappe und ihn mir vors Gesicht halte, um mit ihm zu kuscheln, werde ich auch ein Lächeln auf meinen Lippen haben, im guten Glauben daran – dass UNSICHTBAR e.V. besonders und einzigartig ist.