Was läuft hier verkehrt, fragen wir uns.

Guten Morgen,
erst mal Euch allen einen schönen 1. Advent.

Erschreckende Erkenntnisse… anders können wir es nicht beschreiben.

Heute Nacht mussten wir feststellen, dass es Sachen gibt, die man niemanden wünscht zu sehen.

Wir reden von Verletzungen, wenn wir uns in den Finger schneiden…dann wird die Wunde ausgewaschen, desinfiziert, verbunden und gut ist es. Jedoch hier auf der Straße läuft alles anders.

Man steigt aus dem Auto und blickt direkt in offene eiternde Wunden, dreckige Finger wickeln etwas darum, was wie ein Putzlappen aussieht. …und dann – ein Blick zu uns – ein Lächeln und die Frage: „Wie geht es Euch?“

Was läuft hier verkehrt, fragen wir uns.

Wir haben beide Gänsehaut. Frieren wir, nein es gruselt uns.
Wir fragen zurück. „Möchtest Du was Warmes? Können wir Dir irgendwie helfen?“ Antwort: “ Mir geht es gut, doch ein Café wäre schön.“

Wisst Ihr, wir sind extra spät heute losgefahren, um zu sehen, wo und wie sie schlafen. Ob sie bei dieser Kälte warm genug eingemummelt sind, ob sie überhaupt noch leben.
Doch egal, wo wir waren, oftmals treffen wir sie wach an.
Mit schmutzigen, eisigen Händen greifen sie Dankbar nach heißem Tee und Suppe.
Sie haben immer ein nettes Wort für uns übrig und doch schauen wir hinter die Fassade und sehen Menschen, die leiden.

Schon uns platzen die Lippen von der Kälte auf und der Labello ist unser ständiger Begleiter.

Wir fahren durch leere Straßen, dunkle Häuser, nirgendwo brennt Licht. Warum ist das so? Weil wir draußen sind, wenn andere in Ihren Betten liegen. Wer verschwendet einen Gedanken daran vorm Einschlafen, das draußen auf der Straße Menschen liegen – im Dreck, mit unversorgten Wunden, frierend und einsam.

Nein – sie gehen nicht zum Arzt, denn meist sind sie nicht krankenversichert und für sie ist es normal.

So stelle ich mir den Krieg vor, Obdachlose Menschen zwischen Trümmern, verletzt, gebrochen. Doch wir leben im 21 Jahrhundert… Häuser stehen, Essen im Überfluss, Technik ohne Ende und trotzdem liegen da Menschen….Ja es gibt Corona und wir jammern wieder – wollen raus, fühlen uns eingesperrt.

Glaubt uns, hier in der Nacht gibt es welche die gerne mit Euch tauschen würden.

Nein, nehmt es uns nicht böse…es geht nicht darum, dass ihr tauschen sollt…es geht darum, das wir öfter mal nachdenken sollten worüber wir eigentlich jammern.

Am späten Samstagabend hat diese Tour begonnen, jetzt gerade – fast acht Stunden später beenden wir sie.
Wir sind vielen Menschen begegnet, alten Bekannten, doch auch neue Gesichter lernten wir heute kennen. Dank aufmerksamer Bürger, die sich unsere Nummer notiert haben und im rechten Moment sich an uns erinnerten und anriefen, um uns, ihnen auffällige Menschen zu melden.

Dafür danken wir Euch, denn dadurch habt ihr mehr Gutes bewirkt, als Ihr Euch überhaupt vorstellen könnt.

Geschrieben von Regine Sonnleitner, unterwegs auf Tour mit Holger Brandenburg