Wenn man aus dem Tod eines Menschen, Geld machen will – ist das unter aller Würde.

Wenn man aus dem Tod eines Menschen, Geld machen will – ist das unter aller Würde.
Dazu später mehr…
Heute war Jens Fehlau mit mir unterwegs, auf Megatour.
Unsere Megatouren vereinen an einem Tag in der Woche, zurzeit freitags oder samstags, eine komplett und kompakte Tour.
An diesen Tagen fahren wir alle Städte an, in denen wir aktiv sind, fahren dort an Plätze, an denen wir noch nie waren und erkunden gleichzeitig Gassen und Straßen, um nach obdachlosen Menschen zu schauen und darüber hinaus fahren wir an diesen Tagen auch zu den Stellen, die uns in der jeweiligen Woche zuvor gemeldet wurden und auch schon angefahren wurde, um auch dort zu schauen, ob alles in Ordnung ist oder Hilfe gebraucht wird.
Unsere Megatour sind die längsten Touren und auch die, die oftmals extrem an die Substanz gehen, weil sie eben sehr lange dauern und man von allem alles mitbekommt aber auch das gehört zu unseren Aufgaben dazu.
Die heutige haben wir heute sehr früh begonnen – 17:00 Uhr war es und geendet hat sie um 03:00 Uhr in der Nacht.
10 Stunden nach Menschen schauen, Menschen helfen und auch ein kleines bisschen aufmerksam erwirken, in dem wir gesehen werden.
Begonnen hat alles am Lager, um unser Fahrzeug aufzufüllen. Schlafsäcke, Isomatten, Terrinen und ganz wichtig – heißes Wasser musste mit an Bord.
Dann ging es los – als erstes standen noch Menschen auf dem Plan, die Opfer der Flutkatastrophe wurden und die wir im Hellen besucht hatten und was soll ich sagen, es sind so unfassbar viele die noch immer Tränen in den Augen bekommen, wenn nur ein Tropfen Regen vom Himmel fällt – die Panik, dass es stärker anfängt zu regnen, ist vor allem den kleinen Kindern ins Gesicht geschrieben.
Wo wir helfen können, da helfen wir auch – wo wir nicht helfen können, ist bei jedem einzelnen Trauma, das diesen Menschen durch den Kopf geht, wenn sie an diesen schrecklichen Tag auch nur im Ansatz denken.
Noch immer sind Wohnungen, Keller und auch ganze Häuser, von dem gezeichnet was im Juli passierte, nur leider wird all das langsam vergessen und Menschen sich selbst überlassen und auch da wo zahlreiche Spenden gespendet wurden, werden noch immer Anträge abgelehnt oder sich auch gar nicht darum gekümmert, was so manch einer braucht.
Manchmal denke ich mir, hätten die Menschen, die all diese beachtlichen Summen gespendet haben, vorher gewusst, was mit ihrem Geld passiert – hätten sie dann überhaupt gespendet oder hätten sie sich vielleicht doch vorher darüber informiert, wo es besser hingegangen wäre und mit 100% Sicherheit dann auch nicht nur als Soforthilfe gedacht war, sondern auch als Soforthilfe genutzt wurde?
Eine Frage, die mir sehr wahrscheinlich unbeantwortet bleiben wird.
Was uns angeht. wir sehen das alles etwas anders und auch wenn wir nicht zu denen gehört haben, die sich vor lauter Spenden für die Fluthilfeopfer, kaum noch haben retten können – uns ist jeder Mensch wichtig, der Hilfe braucht und wenn dem so ist, tun wir genau das, wofür man uns kennt – wir handeln und reden nicht lange um den heißen Brei herum, sondern helfen da wo Hilfe gebraucht wird.
Das ist eben UNSICHTBAR e.V.
Um 20:00 Uhr als unsere Kerzenaktion begonnen hat, saß Jens und ich im Auto und konnten leider keine anzünden, haben uns aber sehr über die vielen Fotos gefreut, die auf Facebook gepostet wurden und uns per WhatsApp zugeschickt worden sind.
– Dafür unseren herzlichsten Dank, an die Menschen, die den Sinn dahinter verstanden haben –
Und dann ging es irgendwann nach Bochum, wo wir an einer Stelle ankamen und wir mit lautem Beifalle begrüßt wurden.
– Das ist uns auch noch nicht passiert –
Kaffee, Terrinen, Wasser und auch Schlafsäcke und Isomatten, wurden gerne angenommen – viele neue Gesichter begrüßten uns, kamen eher zaghaft auf uns zu und fragten eher leise, als laut – ob wir für sie auch noch was hätten.
– Hatten wir und das gerne und immer wieder gerne –
Ein Herr, der ebenfalls eher leise fragte, ob wir noch eine Suppe hätten, sagte:
Ich bin erst seit zwei Tagen obdachlos und wissen sie, sagte er – ich habe Angst – Angst vor alle dem, Angst vor den Nächten, ohne Wände um mich herum – Angst vor dem, was ich nicht kenne, weil ich weiß doch gar nicht, wie Obdachlosigkeit eigentlich funktioniert und dann fing er an zu weinen.
– Ich habe einfach nur Angst, dann nahm er seine Suppe und ging –
Irgendwann fuhren wir weiter, durch die Innenstadt – rauf und runter – kreuz und quer, durch Bochum.
– Ich hatte mal wieder nicht auf das Navi hören wollen und so verfranzten wir uns –
Was aber auch nicht schlecht war, denn so lernen wir ganz neue Stellen in Bochum kennen.
Dann, als es später wurde, fuhren wir nach Wuppertal – zuerst zu dem Freund, des verstorbenen Danny und auch er freute sich über einen Kaffee und eine Terrine.
Sein Geld vom Amt sei nun endlich bewilligt.
Dann sagte er, ich kann das Leben, dass ich auf der Straße lebe, so nicht mehr leben – dafür ist er körperlich einfach zu sehr kaputt.
Vielleicht sagte er – findet er ja irgendwas kleines, als Wohnung und wenn es nur eine Einzimmerwohnung, in irgendeinem schäbigen Hinterhof wäre – einfach nur ein Ort, den er sein nennen kann.
Er habe auch schon mit seiner Betreuerin darüber gesprochen und sie wird ihm nun dabei helfen, diesen Plan umzusetzen.
– Hoffentlich finden sie etwas, denn der Winter soll dieses Jahr extrem werden –
Und dann unterhielten wir uns eine Weile über Danny und das nun seine Familie ausfindig gemacht worden sei und er jetzt darauf wartet und auch dafür betet, dass sie ihm eine ordentliche Beerdigung zukommen lassen würden.
– Das wäre im Augenblick für ihn noch ein größerer Wunsch als der Wunsch nach einem kleinen zu Hause –
Und dann sagte er – könnt ihr Euch vorstellen, dass jemand mit dem Tod eines anderen, auch noch Geld verdienen will?
Da gibt es wohl jemanden, der auch auf der Straße lebt und eine Schale, mit der Aufschrift „Für die Beerdigung von Danny“ (oder so in der Art) stehen hat und dort Geld sammelt, welches er letztendlich dann aber nicht für den eigentlich Zweck nimmt, sondern sich dafür Drogen kaufen würde.
– Liebe Wuppertal, „solltet“ ihr dort eine Schale stehen sehen – schmeißt kein Geld in Schale – hier handelt es sich definitiv um keine Spende, für die eigentliche Sache –
Dann schaute er uns an und sagte, wenn Danny beerdigt wird und er oder wir wüssten wann, dann könnte er noch ein letztes Mal für ihn da sein, in dem er dann in dem Augenblick, seinen letzten Weg mit ihm gehen würde – für mehr würde es leider nicht reichen.
Doch sagte ich – für mehr wird es reichen, denn wir von UNSICHTBAR e.V. werden Euch, also denen, die Dannys Freund gewesen sind, einen Grabkranz machen lassen, den ihr ihm dann auf seinen Weg in einer besseren Welt schenken könnt und das garantiere ich dir.
– Das ist nobel von euch und dafür wäre ich euch sehr dankbar –
Wir mussten weiter, weiter zu Danny, denn wir hatten eine Kerze im Auto – die darauf wartete an die Stelle gestellt zu werden, wo einst Danny saß und er sich gerne mit uns und vielen anderen Menschen unterhielt.
Dort trafen wir zwei weitere Personen, eine davon kannten wir nicht, aber beide freuten sich über einen Kaffee, eine Terrine und einen Schlafsack und eine Isomatte und die ältere Dame, die Flaschen sammelte, wollte zwar nichts aber freute sich sehr über eine leere Dose, die Jens ihr gab und winkte uns mit einem Lächeln zu, als wir dann unsere Fahrt fortsetzten.
In einem anderen Stadtteil von Wuppertal durften wir dann an zwei weitere Personen, Kaffee – Tee – einen Schlafsack und zwei Isomatten verteilen und danach ging es in Richtung nach Hause, wo ich nun sitze und Euch diesen Bericht schreibe und mich dann gleich mal ins Bett lege und versuche meinen Kopf auszuschalten und erst morgen wieder darüber nachdenken werde, wie gut es uns allen doch eigentlich geht, wenn man sich einmal darüber Gedanken macht, wie manch ein Mensch im Gegensatz zu uns, die eine warmes zu Hause haben, trockene Wände haben – leben muss.
Gute Nacht