Eine Tour, eine Challenge

Eine Tour, eine Challenge
Die vergangenen Wochen waren anstrengend und die kommenden Wochen werden es auch sein.
Du jagst von A nach B, machst Termine, triffst die Presse, hältst Interviews und hältst Vorträge.
Irgendwie immer was los und auf der Suche, nach etwas Ruhe und Stille begegnest du der rauen Wirklichkeit und musst zu hören, wie sie dich hämisch auslacht.
Tatsachen werden dir um die Ohren geprügelt auch wenn du dich gar nicht danach gesehnt hast, sie so zu erfahren, wie sie dir zugetragen wurden.
Dazu gäbe es noch so sehr viel mehr aber auf der Suche nach Stille und der Bitte hin und wieder etwas Ruhe zu finden, nicht als was dahin gestellt zu werden, was man überhaupt nicht ist, fuhr ihr gestern eine Tour mit Sina, Jörg Degenkolb-Değerli und Christoph Schönbach, die gerade an dem Projekt »Guck halt mal hin!«, arbeiten. Der Träger ist die Katholischen Citykirche Wuppertal und das Ganze wird gefördert durch die Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz.
Ein schönes Sache an der wir gerne teilnehmen.
Letzte Woche gab es einen Podcast, diese Woche das Interview auf der Straße und die Challenge für den Fotografen Christoph Schönbach.
Meine Bedingung, dass er uns als Fotograf überhaupt begleiten durfte war folgende.
Keine Bilder von obdachlosen Menschen
Keine Bilder von Plätzen, an denen sich diese Menschen aufhalten
Keine Bilder von Plätzen, die vermuten lassen, wo sich diese Menschen aufhalten
Er sollte die Situation Obdachlosigkeit so einfangen, dass sie zu erkennen ist ohne das sie fotografiert wird.
Das fand er spannend, der Profi in ihm kam heraus und er nahm die Challenge an.
Dann gestern ging es auf die Straße – kurz vorher noch ein kleines Briefing und dann fuhren wir los in die Nacht hin, in die Stille der Dunkelheit, die bis auf ein paar nette und interessante Gespräche, ausschließlich von den Regentropfen aufs Dach unterbrochen wurden.
Menschen denen wir helfen durften, freuten sich etwas warmes zu bekommen, etwas zu trinken, ein paar Socken und auch der Herr der vor ein paar Tagen Geburtstag hatte, schaut uns zweimal an, als wir ihm eine kleine Geburtstagstasche überreichten.
Jetzt wo ich diesen Beitrag schreibe, sitze ich in irgendeiner Seitenstraße und höre ausser dem Regen der auf mein Dach fällt nichts außer Stille und Regen – Regen und Stille.
Die Tour gestern war schön, es waren alles Menschen die sich freundlich und offen gegenüber standen und von ernsten bis auch witzigen Gesprächen alles bei sich trugen.
Den Menschen, denen wir helfen durften und die wir dann irgendwann wieder in der Dunkelheit verschwinden sahen, wurden umso weiter sie sich von uns entfernten immer mehr unsichtbar.
Manchmal wünsche ich mir in letzter Zeit, einfach nur zu schweigen, still zu sein, um niemanden die Möglichkeit zu geben, falsch über mich zu urteilen, vielleicht auch einfach mal zweimal hinzuhörrn, um sich dann ein anderes Bild zu malen.
Aber das geht nicht, ich muss sprechen, reden und gerne auch mal schreien, damit diese Themen wie Obdachlosigkeit und Armut weiterhin gehört werden, durch unsere Arbeit auf der Straße, durch unsere Berichte in den sozialen Medien und durch unsere Vorträge und auch Interviews – das all diese Themen gehört werden, wenn es darum geht, über die zu sprechen, die schon viel zu leise geworden sind, die – die unsichtbar wurden, durch die, die keine Rücksicht auf nichts und niemanden nehmen und wie eine Horde Elefanten sämtliche Porzelanläden zu nichte machen.
Und jetzt wo ich immer noch im Auto sitze, möchte ich einfach nur leise und still sein, in den Momenten, in denen das funktioniert und ich danke den Menschen mit denen ich gestern auf Tour durch die Nacht fuhr, dass ich auf meine Art und Weise so sein durfte wie ich bin und ich mich nicht verstellen muss, nur um so zu sein, wie man mich gerne hätte.
Ein langer und tiefer Text und bestimmt auch einer von denen, den man dreimal lesen muss, um ihn zu verstehen aber manchmal bin ich einfach nur müde von all den schlechten und bösen Menschen, die es auf dieser Welt gibt.
Danke an all die Menschen, die es nicht sind