Einmal alles bitte

Heute stand Wuppertal bei unserer Tour auf dem Plan, denn wir durften dort eine Spende von jemandem in Empfang nehmen, der unsere Arbeit unterstützen möchte. Darüber haben wir uns sehr gefreut. Anschließend fuhren wir verschiedene Stellen an, an denen wir obdachlose Menschen vermuteten und wurden überall auch fündig. Man merkt den Leuten an, dass der Beginn der kalten Jahreszeit ihnen in den Knochen sitzt. Alle scheinen sich umso mehr über eine heiße Terrine und etwas warmes zu trinken zu freuen, und auch Menschen, die bisher nicht nach einem Schlafsack gefragt haben, haben sich darüber gefreut. Anschließend haben wir die Augen offen gehalten nach Stellen, die wir vielleicht noch nicht kennen und sind auch noch einer Meldung nachgegangen.
Vor zwei Tagen erst haben wir in Witten einen Mann getroffen, der vom Tod seiner Frau schwer traumatisiert war. Wir hatten ihm versprochen, ganz bald wieder nach ihm zu schauen, da eine schier unerträgliche Einsamkeit von ihm ausgeht. Eine Einsamkeit, die wir ihn gerne ein paar Minuten vergessen lassen wollten. Wir hatten den richtigen Riecher und fanden ihn und einen weiteren Herren am selben Ort vor, wo er schon auf uns gewartet hat. Wir konnten natürlich seine Trauer nicht lindern, aber er kommt nun sicher durch die Nacht und weiß, dass jemand an ihn denkt.
Da Witten und Bochum sich so nahe sind, haben wir auch dorthin einen kurzen Abstecher gemacht, um bei denen kurz nachzuschauen, die mitbekommen hatten, dass dort jemand zwei Tage zuvor verstorben ist. Die Nachricht beschäftigte alle. Auch mussten wir leider feststellen, dass ein Mensch, den wir seit einiger Zeit betreuen und der seit ein paar Wochen aufgrund einer Erkrankung in einer Notunterkunft untergekommen war, wieder auf der Straße schlief. Und das alleine, ohne seinen, wie er es sagt „Kollegen“. Aber auch solche Rückschläge gehören zu unserer Arbeit, sowohl für die Betroffenen als auch für uns.
Wir haben uns dann noch auf den Weg nach Hagen gemacht. Dort hatte es am Vortag einen Brand gegeben, von dem ein obdachloser Mensch betroffen gewesen sein könnte. Und obwohl wir dort niemanden vorfanden, war es gut, dass wir in Hagen waren. Wir trafen in der Innenstadt nämlich mehrere Personen an verschiedenen Orten an und konnten sicherstellen, dass auch sie gut durch die Nacht kommen.
Zu einem sehr umfangreichen Einsatz kam es am Hagener Hauptbahnhof. Wir wurden von zwei sehr netten Damen vom Sicherheitsdienst darüber aufgeklärt, wo sich jemand befinde, aber es dauerte gar nicht lange, das mehrere obdachlose Menschen, einige alleine, andere in Paaren, an uns heran traten. Auch hier tat es allen gut, die Möglichkeit zu haben, etwas Warmes zu sich zu nehmen. Wir haben verschiedene Menschen mit Thermowäsche, Mützen, Schals, Handschuhen und vielen weiteren Dingen versorgt. Ebenso konnten wir einigen eine Grundausstattung mit Schlafsack und Isomatte anbieten.
Am meisten jedoch hat uns das Schicksal eines jungen Mannes berührt, der an den Händen und am Kopf tiefe Verbrennungen aufwies. Die Polizei war am frühen Abend zu einem Einsatz zu ihm gerufen worden, weil der Verdacht besteht, dass der Mann von Unbekannten angezündet wurde. Leider war der Mann nicht mehr vollkommen Herr seiner Sinne und konnte keine genauen Angaben machen. Ganz auszuschließen war es leider auch nicht, dass er sich im Rausch selbst Verbrennungen zugefügt hat. Allerdings weiß ich nicht, was ich schlimmer fände. Beides ist ein Symptom menschlichen Leidens. Als wir bemerkten, dass seine Verbrennungen noch nicht behandelt wurden, wurde ein Rettungswagen gerufen, um die Wunden ärztlich zu versorgen. Wir drücken dem Herren alle Daumen, dass es ihm bald wieder besser geht.
Was mich heute sehr bewegt hat, war, wie viele mitfühlende und verständnisvolle Menschen es noch gibt. Das am Hagener Bahnhof war heute Teamarbeit: die Damen vom Sicherheitsdienst, die Polizei, die Rettungskräfte und eine liebe Passantin, die sich mit den obdachlosen Menschen unterhalten hat, um sie abzulenken und zu unterstützen, und ja, auch wir – das hat einfach gut harmoniert. Und es gab so viele Menschen mit einem großen Herzen auch und gerade für die Belange von obdachlosen Personen, dass am Ende dieser anstrengenden Tour eigentlich hauptsächlich ein Gefühl bleibt – die zufriedene Erkenntnis, dass die Welt selbst in Momenten von Not ein guter Ort sein kann, wenn die Menschen ihrem Herzen alle einen Ruck geben.