…der Wunsch nach einem Stiefel

Auf dem Hinweg, zu meiner heutigen Beifahrerin Sabine hörte ich Schlagermusik (wow ziemlich ungewöhnlich für mich) und auf dem Rückweg dann Nabucco.
Viele werden diese Oper nicht kennen und ehrlich gesagt, habe ich noch nie ein Wort von dem verstanden, was die da so singen.
Was mich aber immer wieder daran fasziniert ist dieser Chor, wenn er gemeinsam anfängt zu singen und eine Kraft spüren lässt, die mir persönlich durch Mark und Bein geht und gleichzeitig Ruhe einkehren lässt, mich ein bisschen runterkommen lässt, von all dem was man so erlebt, sieht und mitbekommt, von alle dem – was einem so begleitet.
Sabine und ich bekamen eine Meldung von einer Dame, die in Hagen Flaschen sammeln geht und somit fast jede Ecke dieser Stadt kennt und das tut sie in der Nacht und wenn sie dann eine obdachlose Person sieht, sind wir ihr Ansprechpartner.
Sie gibt uns immer die genauen Standorte durch, beschreibt uns die Personen und dann sind wir gefragt.
Ich schaue – ihr helft – eine wunderbare Komposition, wenn es darum geht gemeinsam zu helfen, sagte sie mal und so ist es dann auch und das funktioniert prima.
Heute rief sie uns erneut an und wir wurden, nachdem wir dort angekommen sind, auch fündig, durften eine Terrine weitergeben und wechselten mit der kurz vorher aufgewachten Person ein paar Worte.
Sie war komplett übermüdet, freute sich über die Suppe, war aber kaum und auch sehr leise in der Lage, mehr als nur ein paar Sätze mit uns auszutauschen.
Danach ging es zum Bahnhof, hier war richtig was los aber obdachlose Menschen sahen wir zu dem Zeitpunkt nicht.
Eine Meldung aus Bochum, lies und dann dort hinfahren und kurz bevor wir dort ankamen, sahen wir eine ältere Dame, die sich über eine Suppe freute und leider nicht wirklich gesund aussah.
Als wir zum Auto zurück gingen, stand ein Herr davor, der uns 10,00 Euro überreichte – Hier ein Spende, für das was ihr tut – Danke das ihr es tut, sagte er und ging weiter, war plötzlich verschwunden, als wäre er nie da gewesen.
Und dann ging es zu der Meldung, Kaffee – Suppen – ein paar Handwärmer und der Wunsch nach einem Stiefel.
Ein Stiefel, was möchtest du mit einem Stiefel, fragte ich.
Ich brauche nur einen Stiefel, einen einzigen Stiefel, sagte er.
Weißt du, wenn ich dort wo ich schlafe am Abend des 5. Dezembers einen Stiefel vor meinen Schlafplatz stelle und der Nikolaus vielleicht noch nicht alles verteilt hat, denkt er vielleicht an mich und füllt mir diesen, mit ganz viel leckeren Sachen.
Vielleicht vergisst er mich dieses Jahr ja nicht – die letzten Jahre schien er viel zu tun zu haben, aber dieses Jahr denkt er dann vielleicht doch auch mal an mich.
Ich habe immer extra große Reiterstiefel vor die Tür gestellt, sagte ein anderer und der Plan ist jedes Jahr aufgegangen. Die Stiefel waren am nächsten morgen immer randvoll, das war ein Fest.
Vielleicht bekomme ich ja einen Stiefel, sagte der andere erneut – ich brauche unbedingt einen, damit ich wenigstens eine kleine Chance habe, gesehen zu werden – vom Nikolaus.
Der Abend war heute recht mild und die Straßen, bis auf ein paar feiernde Menschen, wie leer gefegt.
An einer Stelle in der Stadt war ein Großaufgebot der Polizei, die Fahrzeuge nach Drogen und anderen dubiosen Sachen kontrollierten, an einer anderen Stelle wurde laut gelacht und an einer weiteren, saßen die – die einfach etwas zur Ruhe kommen wollten und als sie uns sahen, sich mit einem winken und recht lauten „unsichtbar ist da“ bemerkbar machten.
Auch hier durften wir, bis auf das uns plötzlich die Holzlöffel ausgingen, Kaffee und Suppen verteilen und so wurde dann aus den Kaffeelöffeln, im Anschluss – Suppenlöffel, danach gab es noch für alle Müsliriegel.
Kurz drauf kam noch ein weiterer Herr dazu, aber auch hier wurde das Löffelproblem schnell gelöst, sie teilen eben und wo sie helfen können, da helfen sie.
Kommt mir irgendwie bekannt vor!
Danach brachte ich Sabine nach Hause und im Anschluss daran begleitete mich Nabucco bis nach Hause – nach einem zuvor leise aufsteigenden Orchester gefolgt von einem kraftvoll klingenden Chor schaltete ich dann irgendwann die Gedanken ab – ein eRestkonzentration blieb für den Verkehr übrig und der andere Teil versank in Ruhe und Zufriedenheit, die wohl damit zu tun haben musste, erneut Gutes getan zu haben, erneut Menschen – Zeit geschenkt zu haben und demnächst vielleicht auch einen Stiefel zu verschenken.
Gute Nacht