Wer uns fragt, bekommt Antworten!

Wer uns fragt, bekommt Antworten!

„Wir sind ja nur in der Nacht unterwegs. Wir helfen ja nur bis zu einem gewissen Punkt. Man könnte doch auch darüber hinausgehen. Dann könnten wir noch so viel mehr leisten oder nicht?“

Diese Frage stellte mir ein Mitglied.

Und genau diese Frage möchten wir mit diesem Text beantworten und weil das so wichtig ist, lassen wir Euch daran teilhaben.

▪️ Ja, wir sind nur nachts unterwegs.
▪️ Ja, wir helfen nur bis zu einem gewissen Punkt.
▪️ Natürlich könnten wir Menschen von der Straße holen.
▪️ Natürlich könnten wir Wohnungen vermitteln, Anträge ausfüllen, sie begleiten, sie irgendwo unterbringen.
▪️ Natürlich könnten wir vieles tun, wofür es eigentlich Profis gibt.

Und ja – wahrscheinlich würden wir dadurch noch mehr Aufmerksamkeit bekommen.
❤ Mehr Herzen berühren.
💪Mehr Schulterklopfer ernten.

Aber mit welchem Preis wäre das versehen?

Es klingt so einfach: „Holt sie doch einfach von der Straße.“

▪️Aber was ist, wenn genau dieser Mensch nach drei Wochen wieder zusammenbricht, weil er die plötzliche Ruhe nicht aushält?
▪️Was ist, wenn er nachts einen Rückfall hat und niemand ist da, weil wir es gar nicht leisten können?
▪️Was ist, wenn er eine Frist verpasst, weil ein Antrag nicht korrekt ausgefüllt wurde?
▪️Was ist, wenn er dadurch seine Wohnung wieder verliert?
▪️Was ist, wenn er scheitert, weil er nicht begleitet wurde – nicht nur von Menschen, die ihn mögen, sondern von Menschen, die genau dafür ausgebildet sind und die auch hauptberuflich dafür da sind?

⁉️Es wird oft gesagt: „Lasst uns doch einfach unsere Arbeit machen.“
Aber so einfach ist das nicht.
Denn Ehrenamt ist nicht gleichzusetzen mit der Arbeit, von Profis.

Und hier kommt ein Punkt, der extrem wichtig ist, der eine entscheidende Rolle bei der Antwort findet.

▪️Streetworker sind keine Ehrenamtlichen.

Immer wieder lesen wir in Zeitungen oder hören es in Gesprächen:
„Die Streetworker waren wieder unterwegs…“
Aber hier muss man genau hinschauen.

👉 Was ist ein Streetworker?
▪️Streetworker sind professionelle Fachkräfte der Sozialen Arbeit.
▪️Sie haben ein Studium der Sozialen Arbeit oder eine sozialpädagogische Ausbildung abgeschlossen.
▪️Ihre Arbeit ist eingebettet in ein Team, mit regelmäßiger Supervision, rechtlicher
▪️Absicherung, Unfall- und Haftpflichtversicherung der Träger und mit einem klar geregelten Netzwerk im Hintergrund.
▪️Sie betreiben aufsuchende Sozialarbeit im öffentlichen Raum, begleiten Menschen langfristig, vermitteln therapeutische und behördliche Hilfe und haften dabei nicht alleine, sondern sind rechtlich und fachlich eingebunden.

(Eine Quelle hierzu ist beispielsweise die SRH Mobile University, Modul Streetwork und mobile Jugendarbeit, sowie das ACRIC Methodological Handbook DE, Kapitel Streetwork – Aufgaben, Ausbildung und gesetzliche Grundlage.)

👉 Was ist Ehrenamt?
▪️Ehrenamtliche hingegen sind Menschen mit viel Herz und Engagement.
❗Und das soll nicht heißen, dass Profis kein Herz haben. Bitte nicht falsch verstehen.
Auch Profis arbeiten mit Herz, aber sie bringen zusätzlich noch das Fachwissen, die Ausbildung, die Supervision und die Strukturen im Hintergrund mit, die es braucht, um diese Arbeit rechtlich und fachlich sicher auszuführen.

▪️Ehrenamtliche leisten unglaublich wichtige Arbeit – sie verteilen Schlafsäcke, kochen Kaffee, hören zu, zeigen Präsenz.
❗❗❗Aber: Sie sind keine Streetworker.

Und selbst wenn sie diese Ausbildung haben, sind sie im Ehrenamt nicht in der Lage, die volle Verantwortung dafür zu tragen, Menschen unterzubringen oder professionell zu begleiten.

Warum ❓
Weil genau dieses Team im Hintergrund fehlt.
Weil keine gesicherte Supervision da ist, keine Absicherung durch eine Trägerstruktur, keine rechtliche Abdeckung für Haftungsfragen.

Allein schon haftpflichtmäßig kann man als Ehrenamtlicher solche Aufgaben nicht absichern, selbst wenn man den besten Willen der Welt hat.

Und was steht hinter einem Streetworker im professionellen Bereich?

👉 Was kostet das alles?
▪️ Streetworker in Vollzeit: 45.000 – 65.000 Euro pro Jahr (je nach Tarif und Bundesland)
▪️ Arbeitgeberanteile Sozialversicherung: +10.000 – 15.000 Euro pro Jahr
▪️ Supervision (extern): ca. 80 – 150 Euro pro Stunde, meist monatlich, plus Teamsupervision
▪️ Psychologische Fachberatung (extern): 100 – 200 Euro pro Stunde
▪️ Fort- und Weiterbildungen: 1.000 – 2.500 Euro pro Person und Jahr
▪️ Rechtsberatung / Mitgliedschaften: 500 – 1.500 Euro pro Jahr
▪️ Verwaltungsangestellte: 30.000 – 50.000 Euro pro Jahr pro Vollzeitstelle
▪️ Versicherungen (Haftpflicht, Unfall, Diensthaftung): mehrere Tausend Euro jährlich
▪️ Räumlichkeiten, IT, Infrastruktur: 500 – 2.000 Euro pro Monat
▪️ Netzwerk- und Kooperationskosten: mehrere Hundert bis Tausend Euro pro Jahr
▪️Overhead-Kosten (Buchhaltung, Personalwesen, Leitung): ca. 10–20 % des Personalbudgets

➡️ Summiert bedeutet das:
Für eine einzige Vollzeitstelle im Streetwork-Bereich entstehen jährliche Gesamtkosten von mindestens 70.000 bis 100.000 Euro, oft noch deutlich mehr, je nach Standort und Projektgröße.
Das sind monatlich mindestens 6.000 bis 8.500 Euro – und das ist nur niedrig angesetzt.
In vielen Fällen liegen die realen Kosten sogar noch weit darüber, je nach Tarif, Region, Umfang der Fachberatung und interner Infrastruktur.

👉Wenn jemand sagt:
„Ich habe dieses Know-how, die Supervision, die Psychologen, alles, was dazugehört, dieses ganze Team im Hintergrund – und ich kann das garantieren.
Und ich kann diese Summe von 6.000 bis 8.500 Euro monatlich p.P. im Verein aufbringen, um all das zu garantieren.“

Dann sage ich:
Hau rein.
Mach.
Hilf.
Tu es.

Aber solange das nicht der Fall ist, kann der Schuss nach hinten losgehen.
Muss nicht – aber kann.
Und allein dieses Kann ist es nicht wert, es nur zu tun, um ein oder zwei Likes mehr zu bekommen.

Schuster bleib bei deinen Leisten!
Das ist falsche Selbstbeweihräucherung auf Kosten anderer Menschen.
Es bringt nichts, einfach nur zu sagen: „Hauptsache, man tut etwas.“

Denn was passiert, wenn man Dinge tut, von denen man keine Ahnung hat?

Stell dir vor, du bist gelernter Elektriker. Du hast dein Handwerk gelernt, deine Gesellenprüfung gemacht, vielleicht sogar Meister.
Jetzt soll in einer Wohnung der Stromkasten neu abgesichert werden. Du sagst dir: „Kein Problem, kann ich.“
Und ja, fachlich könntest du das. Aber du machst es nicht im Auftrag deiner Firma, du bist nicht über deinen Betrieb versichert, du hast keinen Meisterbrief eingetragen für dieses Projekt, kein offizielles Aufmaß, keine Abnahme, keine Haftpflicht, die dahintersteht.

Wenn etwas schiefgeht – wenn jemand einen Stromschlag bekommt, wenn es zu einem Brand kommt, wenn es rechtlich geprüft wird – dann stehst du allein da.
Denn auch wenn du es kannst und es gelernt hast: Du hast es hier nicht mit dem abgesicherten Team im Hintergrund gemacht.

Und in unserem Ehrenamt ist das genauso.
Hier sind keine Stromkabel.
Hier sind Menschen.
Und wenn hier etwas schiefgeht, wenn hier ein „Kurzschluss“ passiert, dann brennt nicht nur ein Sicherungskasten durch. Dann kann ein ganzes Leben abbrennen.

Menschen haben keine Versicherung, die sie einfach neu ersetzt.
Menschen haben keine Ersatzteile.

Und genau deshalb machen wir nur das, was wir im Ehrenamt verantworten können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Genau so ist es auch hier.
Wir wissen, was wir können.
Und wir wissen, was wir nicht können.

▪️ Wir können nicht therapieren.
▪️ Wir können nicht Wohnraum vermitteln und absichern.
▪️ Wir können nicht 24/7 da sein, wenn das Leben kippt.
▪️ Wir können nicht haften, wenn ein Antrag falsch ausgefüllt wurde.
▪️ Wir können nicht auffangen, wenn ein Mensch zusammenbricht, weil er mit dem neuen Leben nicht klarkommt.

Was wir können, ist da sein.
In der Nacht.
▪️ Wenn es dunkel ist.
▪️ Wenn es kalt ist.
▪️ Wenn keiner sonst da ist.
▪️ Wenn Menschen frieren, wenn sie durstig sind, wenn sie ein paar Worte brauchen, auch wenn diese Worte nur wie ein leiser Windhauch sind.
▪️ Wir können helfen, durch die Nacht zu kommen.
▪️ Wir können zeigen, dass ihr Leben noch etwas wert ist.
▪️ Wir können zuhören, ohne etwas zu verlangen.
▪️ Wir können da sein, ohne zu urteilen.

Natürlich könnten wir diesen Schritt gehen.
Aber wir tun es nicht.

❤️Weil wir wissen, dass echte Hilfe Verantwortung bedeutet.
❤️Weil wir wissen, dass jeder Schritt, den wir gehen, mit Achtsamkeit gegangen werden muss.
❤️Weil wir wissen, dass es nicht darum geht, alles zu tun, sondern das Richtige.

Und das, was wir tun, tun wir mit ganzem Herzen.
Nicht mehr – und niemals weniger.

Frage beantwortet?