Zähneputzen, pullern und ab ins Bett
Zähneputzen, pullern und ab ins Bett – nicht nur der Titel einer Punkband, sondern auch die traurige Realität vieler Menschen, die sich durch ihre täglichen Routinen einfach nur durch den Tag schleppen. Auch für mich war das ein früherer Zustand – der Automatismus des Lebens, der einen wie in einen Strudel zieht und nicht mehr loslässt. In solchen Momenten war ich wie alle anderen, die einfach funktionieren. Doch das Leben ist nicht so einfach. Wir alle tragen Geschichten in uns, die uns zu dem gemacht haben, wer wir heute sind. Diese Geschichten erzählen von Schmerz, Verlust, Verzweiflung und Hoffnung. Sie sind in uns vergraben, oft unsichtbar für andere, aber sie prägen, wie wir mit uns und der Welt umgehen.
Es gibt Menschen, die auf der Straße leben, und es gibt Menschen, die in der Gesellschaft unsichtbar sind, weil sie durch seelische Qualen gehen, die keinen Platz in den Gesprächen der normalen Welt haben. Niemand fragt, was mit ihnen passiert ist, bevor sie dort gelandet sind. Wir schauen weg, weil es uns zu unbequem ist, nach den Ursachen zu suchen. Doch was, wenn der Obdachlose, den du im Vorbeigehen siehst, ein Mensch war, der einst liebte und geliebt wurde? Was, wenn der Alkoholiker in deiner Nachbarschaft früher ein hoffnungsvoller junger Mensch war, der nur den falschen Weg ging? Was, wenn die Drogenabhängige, die du verurteilst, einfach nur einen Weg gesucht hat, um mit der Qual ihrer Vergangenheit klarzukommen? Niemand fragt nach der Geschichte, jeder urteilt nur. Aber hinter jedem Gesicht, hinter jedem Körper, steckt eine Geschichte. Und oft ist es die Geschichte von Narzissmus, Missbrauch, toxischen Beziehungen, in denen diese Menschen zu dem gemacht wurden, was sie heute sind.
Ich weiß das, weil ich selbst ein Opfer von Narzissmus war. Ich kenne das Gefühl, sich im eigenen Leben zu verlieren, weil man nie gelernt hat, wie es sich anfühlt, wahrgenommen zu werden. Narzissismus ist eine Krankheit der Seele, die dazu führt, dass du zu einem Schatten deiner selbst wirst. Du bist nicht mehr du, du bist das, was der Narzisst aus dir gemacht hat. Du lernst, dich selbst nicht zu lieben, weil du nie die Liebe erfahren hast, die du gebraucht hättest. Deine Existenz wird reduziert auf die Erwartungen und Anforderungen eines anderen. Dein Selbstwertgefühl wird Stück für Stück zerstört, bis du nur noch ein Haufen Scherben bist, die nicht wissen, wie sie zusammengefügt werden sollen.
Und dann – irgendwann – kommen die Tage, an denen du durch den Tag funktionierst, wie ein Roboter. Zähneputzen, pullern, ab ins Bett. Wieder und wieder. Der Alltag dreht sich weiter, doch du bleibst stehen. Und das Schlimme ist: Niemand bemerkt es. Niemand fragt nach dem, was du durchgemacht hast. Niemand hört zu. Niemand sieht die Wunden, die tief in dir verborgen sind. Und so bleibt alles, was du je erlebt hast, verborgen hinter einem Lächeln, einem höflichen Nicken oder einem Blick, der niemandem etwas verrät.
Und wenn du einmal hinschaust, dann siehst du sie – die Unsichtbaren. Menschen, die so tun, als wäre alles in Ordnung, aber deren Augen leer sind, deren Herzen erlahmt sind, deren Körper von einer unsichtbaren Last zerdrückt werden. Diese Menschen sind in der Regel diejenigen, die man als „Penner“ oder „Verschrobene“ abtut. Doch was weißt du wirklich über sie? Was weißt du darüber, was sie durchgemacht haben? Es gibt diese Menschen, die immer wieder in toxischen Beziehungen bleiben, die sich selbst nicht mehr erkennen, die glauben, es sei alles ihre Schuld. Aber wer fragt nach dem, was sie erlebt haben? Wer fragt, was sie so gemacht hat, wie sie sind? Niemand. Wir urteilen, wir schauen weg, wir lassen sie in ihrer Qual.
Es kann jeden treffen, denk mal darüber nach.
Die Welt ist komplex. Es gibt keine schnellen Antworten. Viele Menschen – auch die, die in toxischen Beziehungen stecken – haben gelernt, sich selbst zu unterdrücken. Sie haben gelernt, zu schweigen, sich zu verstecken, sich zu opfern. Die Antwort auf die Frage „Warum bist du so geworden?“ kann so schmerzhaft sein, dass sie nie ausgesprochen wird. Doch wir müssen uns die Zeit nehmen, zuzuhören. Wir müssen uns die Zeit nehmen, uns nicht nur mit uns selbst zu beschäftigen, sondern auch mit denen, die wir als „anders“ wahrnehmen. Denn niemand ist wirklich „anders“. Jeder hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Narben, die ihn geprägt haben.
Und die traurige Wahrheit ist, dass viele dieser Menschen nie aus ihrem eigenen Gefängnis entkommen werden. Viele von ihnen werden immer wieder in die gleichen Muster zurückfallen, immer wieder die gleichen Fehler machen, weil sie nie wirklich gelernt haben, was es bedeutet, sich selbst zu lieben und sich selbst zu vertrauen. Sie leben in einer Welt voller falscher Versprechungen, in der sie nur noch funktionierende Maschinen sind, die ihre täglichen Aufgaben abarbeiten – Zähneputzen, pullern, ab ins Bett.
Vielleicht ist es ein Gespräch. Vielleicht ist es ein aufmerksames Zuhören. Vielleicht ist es einfach nur das Öffnen der Arme und das Angebot, jemandem zur Seite zu stehen. Es mag klein erscheinen, doch diese kleinen Gesten können einen Unterschied machen.
Es ist Zeit, den Blick von uns selbst abzuwenden und auf die zu richten, die uns begegnen. Denn vielleicht gibt es da draußen jemanden, der heute nur noch „Zähneputzen, pullern und ab ins Bett“ tut – aber tief im Inneren nach einer Umarmung, nach einem verständnisvollen Wort sucht.