Die Ehe des Herrn war nach 36 Jahren in die Brüche gegangen

Unsere Tour führte Holger und mich (Olli) mal wieder in die große Stadt im Tal.
Kalt war es nochmal geworden, aber wenigstens regnete es nicht. Wir trafen nach und nach auf uns schon teils bestens bekannte Straßenmenschen und bei einem heißen Getränk und einer Terrine blieb auch ein wenig Zeit für das ein oder andere Gespräch.
 
Kein Zugang zum Bürgergeld wegen Problemen mit Ausweispapieren und daher noch keine warme Mahlzeit an diesem Tag. Nach der Haftentlassung leider mal wieder auf der Straße wiedergefunden.
 
Wir nehmen immer nur ausschnittsweise an den Leben der Straßenmenschen teil, aber für mich bildet dieser Kontrast oft einen Kontrapunkt zu den großen und kleinen Problemen, die mich in meinem eigenen Leben beschäftigen. Vieles, was mir groß und wichtig erscheint, wird kleiner, wenn mein Gegenüber mir erzählt, dass er seit zwei Tagen nichts richtiges mehr gegessen hat. Die Gleichgültigkeit und Überheblichkeit, die mir manchmal ein wenig den Glauben an unsere Gemeinschaft als Menschen schwer macht, wird ganz schnell wieder aufgewogen durch das simple und ehrliche „Dankeschön“ für eine heiße Terrine. Und dass wir nicht werten und kategorisieren, nicht richten und missionieren, sondern im hier und jetzt durch kleine Dinge etwas tun, was in dem Moment schlicht richtig ist, das macht auch was mit einem.
 
Der ungefilterte Blick auf die Lebensumstände und mittlerweile mitunter auch die Lebensgeschichte von Straßenmenschen lassen mich viel öfter innerlich „Danke“ sagen.
 
Haltet mich gern für pathetisch, aber für mich fühlt sich das gut und richtig an.
Und dann war da noch die Sache mit einem uns bisher unbekannten Straßenmenschen.
Wir waren tief in der Nacht schon wieder grob auf dem Weg nach Hause.
 
Holgers Straßenerfahrung und Intuition ließ uns noch einige Nebenstraßen durchfahren und aus dem Augenwinkel sah ich einen Menschen auf einem Sofa, dass als Sperrmüll für die Abholung am Straßenrand stand, zusammengerollt liegen. Ohne Decke oder Schlafsack, zwar mit dicker Winterjacke, aber in Sneakern und Jogginghose. Vielleicht vier Grad, mehr sicher nicht.
 
Die Ehe des Herrn war nach 36 Jahren in die Brüche gegangen und wie so oft kam eins zum anderen und seit einigen Tagen hatte er nichts mehr als seine Kleidung und einen Rucksack mit ein paar Habseligkeiten. Er kannte UNSICHTBAR noch gar nicht. Der Moment, in dem wir ihm nicht nur mit Terrine und Kaffee, sondern auch mit einem dicken Winterschlafsack, einer Isomatte und einem paar neuer fester Schuhe helfen durften, war wieder so ein Moment, an dem für mich feststand, dass das, was wir als Teamplayer von UNSICHTBAR e.V. tun und wie wir es tun, genau das richtige ist.
 
Und, Achtung Pathos, wir können das nur tun, weil im Team ganz viele Menschen in Ihrer Freizeit dafür sorgen, dass Essen und Trinken, Schlafsäcke, TOMs und all die anderen kleinen, aber so entscheidenden Dinge da sind, wo sie gebraucht werden.
 
UNSICHTBAR Teamplayer, Ihr rockt! Und nicht zu vergessen Ihr Blogleser, Ihr Spender und Förderer, ohne Euch wäre es uns nicht möglich, UNSICHTBAR e.V zu sein. Ihr habt diese und andere Geschichten von der Straße gelesen.
 
Danke, dass Ihr uns helft, anderen ein bisschen helfen zu dürfen.