Einmal alle Emotionen zum Mitnehmen, bitte

1x alle Emotionen zum Mitnehmen, bitte.

Zusammen mit Olli und dem DRK auf Tour. So wertvoll gemeinsam unterwegs zu sein.
Die ersten angefahrenen Schlafstellen waren heute frei, an der ein oder anderen befanden sich noch zusätzliche Schlafutensilien, andere schon seit Wochen geräumt.
Als wir gerade von einem Parkplatz rollten, kamen zwei junge Herren auf uns zu und winkten. Wir hielten an und fragten, ob wir helfen können. Und in der Tat konnte das Team vom DRK Hilfe leisten.
Die Herren wollten nach Feierabend spontan grillen, dem einen war beim Öffnen eines Einweggrills, eine scharfe Kannte in die Hand geraten – Schnittwunde und viel Blut. Schnell war die Wunde desinfiziert und verbunden und der eine Kollege beruhigt, dass er nun doch noch mit seinem Kollegen grillen könne. Sie nahmen das ganze mit Humor, ein wichtiger Alltagsbegleiter, wie ich finde.
Wir plauderten noch eine Weile und während wir so sprachen, kam noch ein wichtiger Hinweis zu einem Obdachlosen in einem Zelt ganz in der Nähe. Den Tipp nahmen wir gerne an und bestens versorgt und gelaunt zogen die beiden weiter und wir gingen der Beschreibung der beiden nach.
Wir liefen schon ziemlich direkt in die richtige Richtung, sehr abgelegen und gut versteckt, fanden wir ein Zelt vor, jemand im Zelt und davor eine Frau. Sie sprachen hektisch miteinander, als wir näher kamen. Wir stellten uns schon von weitem vor. Die Frau war sehr erschrocken, weinte und hatte Sorge, wir würden ihren 40-jährigen Sohn und sein Zelt vertreiben. Schnell konnten wir sie beruhigen, dass das nicht in unserem Sinn ist. Wir erklärten, was wir machen und warum wir nun bei ihnen sind. Sie weinte und erzählte, dass ihr Sohn psychisch schwer krank sei, aber selbst keine Krankheit akzeptiert. Platz in Unterkünfte würde es nicht geben und seitens der Stadt keine Hilfe, auch bei Gericht habe sie schon versucht, Hilfe zu bekommen. Gesichtertes Einkommen hat ihr Sohn, hält es aber kaum mit Menschen aus und ist lieber für sich. Auch eine Motagewohnung wurde schon mal für ein Monat gemietet, nach knapp zwei Wochen hielt er es aber nicht mehr dort aus.
Aufnehmen bei sich, könne sie ihn nicht wegen ihrer Arbeit, dann bekäme sie Probleme. Selbst schien sie sehr besorgt und verzweifelt: „Wo soll so jemand, wie mein Sohn hin? Niemand möchte helfen. Und auch die Nachbarschaft ist ihm nicht wohl gesonnen. Er wird immer wieder verjagt.“
Häufig fährt sie mit dem Auto umher und sucht nach einem anderen Platz für ihn, weit genug weg von Menschen und doch nah genug, selbstständig Besorgungen zu machen – gar nicht so einfach. Immer wieder kommen sie hierher zurück, weil er sich hier noch immer sicherer fühlt als anderswo.
Wir redeten sehr lange miteinander, den ultimativen Tipp konnten wir leider auch nicht geben. Lediglich unser Versprechen regelmäßig nach ihrem Sohn zu sehen, falls gewünscht.
Sie war sehr dankbar für unsere Hilfe vor Ort.
Zum Abschied sagte sie: „Sie sind wahre Engel.“ Dieses Kompliment gaben wir sehr gerne an sie zurück, denn sie kümmert sich trotz aller Schwierigkeiten mit aller Kraft und Fürsorge um ihren Sohn. Sicher keine leichte Aufgabe.
Natürlich geben wir keine Erlaubnis, irgendwo zu bleiben & doch verjagen wir auch niemanden von seinem Platz – beides gehört nicht zu unserer Aufgabe. Wir sagen nur immer wieder, dass die Plätze ordentlich und sauber gehalten werden müssen, denn nur so gibt es die Chance auf Duldung, bleiben zu dürfen.
Insgesamt 17 Menschen trafen wir an, die einen schliefen bereits, andere konsumierten, so dass wir zügig weiter sind. Auch Streit gab es in dieser Nacht, der aber schnell geschlichtet werden konnte.
Das Team vom DRK hatte ihre Suppe restlos verteilt & wir mit dem aller nötigsten wie Schuhe und Schlafsack geholfen.
Mit vielen Emotionen im Gepäck und ernsten Gesprächsthemen ging es zurück zum Lager.
Es ist so wichtig, sich auszutauschen und über das erlebte der Nacht zu sprechen.
Kommt gut ins Wochenende,
Eure Tanja