Haare

Als ich gestern von einer Meldung nach Hause kam, beobachtete ich meinen Schatten auf der Straße, wie mal da war und plötzlich dann auch nicht mehr da war.

Die Straßenlaterne hinter mir hatte, je nachdem wie ich in ihrem Licht stand, dafür gesorgt, meine Silhouette mal zu zeigen und aber auch wieder verschwinden zu lassen.

Ähnlich kann ich mir vorstellen, wie es den Menschen auf der Straße gehen muss – mal werden sie gesehen und dann, wenn niemand mehr hinschaut, sind sie wieder unsichtbar.

Sie sind quasi wie ein Schatten der Gesellschaft, nur in meinem Fall war es die Straßenlaterne, die auf mich schien, um meinen Schatten erscheinen zu lassen, im Fall der Gesellschaft, sind es die Augen der Menschen, die diese Menschen sehen – oder eben auch nicht.

Gesehen wurden sie gestern von unserem ersten Team, dass nach Wuppertal gefahren ist und aus Sabine Wiegand und Alev bestand.

Die Beiden trafen zuerst auf einen Herrn, der ihnen von einem weiteren obdachlosen, jungen Mann erzählten, der sehr verschüchtert wäre und an den man nur sehr schwer drankommen würde.

Hier heißt es dann Vertrauen aufzubauen, diesem Menschen zu zeigen, dass wir nichts Böses wollen, außer ihn ein Stück auf seinem Weg begleiten möchten und wenn er etwas braucht und wir das was wir immer dabei haben, ihm dann geben würden.

Der Herr, der uns auf die Person aufmerksam gemacht hat, wird sich derweil um ihn kümmern und versuchen, dass er ihn davon überzeugt, uns dann doch mal kennenzulernen.

Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit

Danach sind die Damen zu einem weiteren Herrn gefahren, jemand den wir auch unseren Touren regelmäßig besuchen, oftmals tief in der Nacht, wenn er dann aus seinem Schlafsack und den zig darüber liegenden Decken herausgekrabbelt kommt und immer auf Anhieb gut gelaunt ist.

Er ist superlieb und supernett, aber auch sehr ungepflegt, aber was soll man machen, wenn kein Klo und keine Dusche in deiner Nähe ist – da wird man dann erfinderisch und auch die Körperpflege wird nach hinten gestellt.

Seine Haare sind vollkommen verfilzt und gestern sprach er davon, sich eine Schere zu besorgen, um seine Haare zu schneiden – wir sind gespannt – wie es aussehen wird, doch letztendlich wird es nur ein Haarschnitt sein, der den Moment vielleicht ein bisschen verbessert aber an der Lage, wie dieser Mensch leben muss nichts verändern wird.

Ein weiterer Herr erzählte aus seinem Leben und in welcher Scene er damals unterwegs war und dass ihn das heute nicht besonders stolz machen würde – aber – er erzählt uns mittlerweile mehr, als was er uns über sich in den vergangenen Jahren erzählte, bevor er im Drogenprogramm war und gar keine Zeit dafür hatte, mal stehen zu bleiben, sondern immer auf der Suche nach dem ein oder anderen Euro war, um das was ihn nun nicht mehr quält, zu befriedigen.

Und dann tauschten wir die Teams

Alev musste nach Hause, weil der Wecker früh klingelte und Sabine stellte den einen Wagen ab und kam zu mir ins Fahrzeug, damit wir beide dann noch zu der Meldung fahren konnten, die ich normalerweise in den tiefen Nächten alleine anfahre, doch auch immer wieder froh bin, wenn es in Ortsteile oder wirkliche dunkle Stellen geht, vor denen uns selbst die Polizei warnt, diese nicht alleine anzufahren, dann doch einen Schatten an meiner Seite zu haben, der redet und atmet und mir den Rücken freihält.