Montag abends um 20:00 Uhr

Wenn neue Mitglieder ihren ersten Beitrag schreiben, finde ich es immer sehr spannend, wie sie das Erlebte in Worten ausdrücken.
Hier nun der erste Beitrag von Arndt
Montag abends um 20:00 Uhr sind die meisten Menschen auf dem Weg Richtung Sofa um vor dem Fernseher den Abend zu verbringen und den Tag ausklingen zu lassen. Andreas und ich (Arndt) dagegen ziehen uns unsere Schuhe und die grüne Jacke an, checken den Akkustand der Taschenlampe, machen uns fertig und begeben uns auf den Weg zu unserem Lager um gleich, mit dem heutigen Ziel Hagen, raus in die Nacht zu fahren. Hinaus zu den Menschen, die dort draußen leben müssen.
Auf dem Weg zum Lager geht man schonmal gedanklich durch, was einen wohl heute Nacht erwartet. Was ist aus dem Herrn geworden, der von uns betreut wird und in den letzten Tagen psychisch total abgestürzt ist? Wie sehr machen die immer kälter werdenden Nächte den Menschen da draußen zu schaffen? Was ist aus den Personen geworden, die wir regelmäßig aufsuchten, aber die seit Tagen spurlos verschwunden sind?
Das ist nur ein kleiner Teil der Gedanken, mit denen man sich vor so einer Tour beschäftigt…
Um 20:30 Uhr treffen wir uns dann am Lager und beladen unser Auto mit heißem Wasser, Terrinen, kleinen Snacks, Kaffee, Wasser, Eistee, Schlafsäcken, Isomatten, Mützen und zig anderen Dingen mit denen wir heute Nacht helfen möchten.
Eben noch schnell bei einem Kaffee oder einer Zigarette die Gedanken nochmal sortieren und dann startet gegen 21:00 Uhr unsere heutige Tour.
Wie bei jeder unserer Touren fahren wie erstmal bekannte und unbekannte Stellen in der Stadt ab und halten ausschau. Schauen in Hauseingänge, Bushaltestellen, Parkplätze usw nach, ob wir jemanden finden der Hilfe benötigt. Lange Zeit treffen wir niemanden an. Auch an den uns bekannten Rückzugsorten einiger Obdachloser ist alles verlassen. Da kommen dann auch die Gedanken wieder ins Spiel…was ist aus den Menschen geworden, die an diesem verlassenen Orten ihr Quartier hatten? Sind sie irgend wo untergekommen? Geht es ihnen gut? Leben sie noch?
Leider gibt es auf diese Fragen meistens keine Antworten für uns. Wir können nur das beste für diese Menschen hoffen und müssen gleichzeitig mit dem schlimmsten rechnen.
Nachdem wir dann einige Zeit unterwegs waren entdeckten wir in einer Bushaltestelle 2 Obdachlose. Beide waren eigentlich schon viel zu alt, um auf der Straße leben zu können. Ein kurzes Gespräch zeigte uns dann aber, das es ihnen gut geht und das wir uns um diese beiden erstmal keine Sorgen machen müssen. Ganz im Gegenteil, die 2 strahlten soviel positive Energie und Freude aus, dass hat uns wirklich beeindruckt. Vermutlich sind 90% aller Menschen, denen es an nichts fehlt und die sich keine ernsthaften Sorgen in ihrem Leben machen müssen heute abend nicht annähernd so glücklich und zufrieden mit ihrem Leben, wie diese 2 Menschen, die eigentlich gar nichts haben. Wir verabschiedeten uns natürlich nicht, bevor es für diese netten und sympathischen Herren noch einen Kaffee, eine heiße Terrine, Wasser ein paar Mini-Salamis und eine Warme Mütze für den Winter gab. Mehr konnten und mussten wir hier nicht tun. Mit allerlei lieben Worten und einigen Umarmungen ließ man uns dann auch weiter in die Nacht hinaus fahren.
Unsere nächste Station war dann das Lager eines uns bekannten Herren. Nachdem in der Vergangenheit langsam Vertrauen aufgebaut wurde, hat er uns seinen genauen Schlafplatz verraten und wir haben mit ihm vereinbart, mit Lichtzeichen auf uns aufmerksam zu machen, wenn wir zu ihm kommen. Wenn er das Licht sieht, kommt er uns dann entgegen, damit wir es nicht so weit haben. Auch hier war, soweit alles in Ordnung. Jedenfalls wenn man davon absieht, dass dieser Herr heute zum wiederholten Male beklaut wurde. Das sind so Situationen, die man kaum fassen kann. Wie kann man denen, die auf der Straße leben und fast nichts mehr haben noch das letzte was sie besitzen klauen? Meine Erziehung verbietet es mir jetzt zu schreiben, was ich von Menschen halte, die soetwas machen…
Auch hier gab es neben einem netten Gespräch etwas warmes gegen den Hunger und den Durst.
Auf unserem weiteren Weg trafen wir noch ein uns bekanntes Gesicht, dem die Kälte mit der dünnen Decke die er hatte zu schaffen machte. Genau für so Situationen haben wir zum Glück warme Schlafsäcke dabei. Zusammen mit einem warmen Kaffee und einer Terrine überreichten wir selbigen und mussten uns auch um diesen Herren erstmal keine Sorgen mehr machen. Schön war auch, dass ein Anwohner aus der Umgebung, der regelmäßig nach ihm schaut, vor Ort war und sich um ihn kümmerte.
Wir sprachen noch ein paar Minuten mit den beiden und erfuhren so auch etwas über unser „Sorgenkind“ dessen verlassenen Schlafplatz wir früher am Abend vorgefunden hatten. Er befindet sich zur Zeit wohl im Krankenhaus. Wenn man seinen Zustand der letzten Tage vor Augen hat, wohl der richtige Ort im Moment für ihn. Wir hoffen, dass ihm erstmal soweit dort geholfen werden kann, damit er seine akuten Problem wieder in den Griff bekommt.
An dieser Stelle wollten wir unsere Tour beenden und machten uns auf den Weg nach Hause. Dabei sahen wir am Straßenrand noch eine stark alkoholisierte Person, die nicht mehr auf uns reagierte. Mehr als uns zu vergewissern, dass er noch atmet und nicht in akuter Gefahr war, konnten wir hier leider nicht machen. In dieser Situation kam dann noch ein uns bekanntes Gesicht zu uns ans Auto und fragte nach etwas zu trinken. Natürlich erfüllten auch diesen Wunsch gerne und setzten damit unsere Fahrt nach Hause fort.
Es war auf jeden Fall eine sehr positive Tour, wie man sie nicht alle Tage erlebt. Die Gedanken vor der Tour, was alles negatives auf uns zu kommen könnte, waren in dieser Nacht unbegründet und wir konnten ohne belastende Erlebnisse mit dem schönen Gefühl geholfen zu haben nach Hause fahren.
Zuhause angekommen kam dann, wie nach jeder Tour, wieder dieses dankbare Gefühl, wenn man den Schlüssel in die Wohnungstür steckt… Dankbarkeit eine warme Wohnung zu haben, einen vollen Kühlschrank, ein eigenes Badezimmer und vor allem ein warmes Bett. All diese Dinge, die wir nie zu schätzen wissen, weil wir uns so daran gewöhnt haben es als selbstverständlich zu sehen diese Dinge zu haben. Für die Menschen die wir heute trafen, ist das alles schon lange nicht mehr selbstverständlich!