Und dann sind da Gedanken, die einem den Schlaf rauben

Und dann sind da Gedanken, die einem den Schlaf rauben – immer und immer wieder……
 
Eigentlich stand heute eine Tour mit Sabine an, die wir aber tauschen mussten, weil ich vorher noch mit Thorsten unterwegs war und da es dann etwas später geworden wäre, setzte Thorsten dann unsere heutige Tour mit mir fort.
 
Als erstes ging es zu dem älteren Herrn, zum Wohnwagen, der sich über die Flut an Suppendosen, noch immer sehr freute und mir berichtete, dass sie richtig lecker sind.
 
Es ist jedesmal eine Zitterpartie, wenn wir dort hinfahren, denn es kann eben in diesem Alter auch mal schief gehen, wenn etwas in der Nacht passiert und niemand da ist, der Hilfe leisten könnte.
 
Eine Zitterpartie, dort irgendwann anzukommen und uns macht niemand die Tür auf, niemand der uns ein Lächeln schenkt und sich darüber freut, dass wir da sind.
 
Niemand, der dann vielleicht irgendwann dort liegt und aufgehört hat, so leben zu müssen, wie es dieser Herr tut.
 
Danach fuhren wir nach Wuppertal, ich war für eine kleine Tour. Weil ich tierisch müde war, konnte ich mir nicht vorstellen, heute eine längere Tour zu fahren.
 
Man könnte auch sagen, ich war platt wie ein Turnschuh. Ich glaube – ich brauche dringendst Urlaub.
 
In Wuppertal trafen wir auf drei obdachlose Menschen, einer von ihnen schlief schon tief und fest und die beiden anderen freuten sich über Eistee, Kaffee und Suppen.
 
Ich fragte einen von ihnen, ob er nochmal die junge Dame gesehen hat und ob er wüsste, wo sie denn schlafen würde?
 
Den Ort, an dem sie schläft, nennen wir selbstverständlich nicht, aber es muss schon eine menschenunwürdige Stelle sein, die man sich so nicht vorstellen kann.
 
Auf einer Matratze, die sie irgendwo gefunden hat, verbringt sie ihre Nächte, an einem Ort, der zwar vor Regen geschützt ist, aber nicht vor dem Wind, der ihr ständig um die Ohren braust.
 
Kakerlaken in rauen Mengen, sollen sich um sie scharen und das an einer Stelle, an der es nur so vor Rattenbauten wimmeln würde.
 
Was für ein schrecklicher Gedanke, sich eine Frau vorzustellen, die gerade mal Anfang 20 Jahre alt ist und zudem sehr gepflegt ist, auf den ersten Blick in keinster Weise und auch nicht im Ansatz den Eindruck hinterlässt, dass sie obdachlos ist.
Eine zierliche Gestalt, die in der Welt, in der wir leben, die oftmals kalt und hässlich ist, Menschen ausgesetzt zu sein, die sie so manches Mal wie Freiwild behandeln.
 
Sie lässt es über sich ergehen, nimmt keine fremde Hilfe an und hat vielleicht bereits in ihren jungen Jahren, schon viel schlimmes erlebt, um das Leben, wie sie es führt, überhaupt führen zu können.
 
Wir bleiben am Ball, können aber auch nicht mit Samthandschuhen an diesen Menschen herangehen – bisher ist es uns leider noch immer nicht gelungen, zu ihr vorzudringen und mit ihr ins Gespräch zu kommen.
 
Bei sowas stellen sich mir immer die Nackenhaare hoch und ja wir haben schon vieles gesehen und erlebt und die Obdachlosigkeit ist vom Leben her, eigentlich gar kein Leben, aber sie wird gelebt aber auch manchmal nicht überlebt und dann gerade bei jungen Menschen, vor allem jungen Frauen oder Mädchen, wo die Gefahr auf eine Gewalttat, zig mal höher ist, als bei all den anderen Menschen, die dort leben – habe ich im Anschluss, an solche Touren, auch noch heute viele schlaflose Nächte.
 
Danach ging es kurz ins Lager – weil wir nur eine Kanne heißes Wasser dabeihatten und meine Müdigkeit nach der Erzählung wie weggeblasen war – die Gedanken überwinden eben manchmal die Müdigkeit – nach Hause fahren war keine Option mehr, an schlafen war nicht zu denken – also was tun?
 
Das war wir im Bereich der Obdachlosenhilfe am besten können – in die Nacht fahren und schauen, wo wir vielleicht woanders auch noch helfen durften.
 
Kurz danach ging es einmal durch Witten und von da aus nach Bochum.
 
Hier fuhren wir einmal Querbeet durch die Innenstadt, weil es von den Behörden geduldet wird, nehmen wir das gerne an.
 
Früher vor ganz vielen Jahren, gingen wir noch zu Fuß mit einem Rucksack durch die Städte – heute sind unsere Fahrzeuge mit allem was wir brauchen und was wir geben können, voll beladen und da bietet es sich dann nur an – in die Städte hineinzufahren und direkt vor den Menschen, die wir dort antreffen, alles direkt zur Hand zu haben.
 
Früher ist eben nicht heute!
 
Insgesamt durften wir in Bochum acht obdachlosen Menschen einen Kaffee, eine Suppe und auch hier dem ein oder anderen für eine längere Zeit unser Ohr schenken, ihnen zuhören, für sie einen Augenblick da zu sein und dem zu lauschen, was ihnen auf dem Herzen lag und das immer wieder gerne und so oft wie sie es möchten.
 
Dann war es irgendwann schon richtig spät geworden und wir beendeten unsere Tour, fuhren zurück nach Hause, nahmen die junge Frau in Gedanken mit und versuchten uns einzureden, dass es eben manchmal nicht anders geht, dass wir leider nicht die ganze Welt retten können, das vielen von denen, denen wir die Welt etwas bunter machen wollen, diese trotzdem leider grau bleibt, dass es manchmal einfach nur hilft, vielleicht ein bisschen zu beten, dass wenn wir das nächste Mal wieder da sind, dann hoffentlich nichts schlimmeres passiert ist.