– Hauptsache nach Hause, wo auch immer das sein mag –

„Angekommen“
…sind viele von ihnen noch lange nicht, weil sie gar nicht wissen, wohin sie eigentlich ihr Weg führt, sie vor lauter Gedanken, die sie oftmals verfolgen, gar nicht wissen – welche Abzweigungen sie nehmen sollen, um erst einmal wieder in die richtige Spur zu finden, die sie brauchen, um überhaupt zu wissen, wofür sie „angekommen“ steht.
Heute begleitete mich Sabine, wir waren schon lange nicht mehr gemeinsam auf Tour, was daran liegen kann, dass wir ständig wachsen und bei den Touren die wir sonntags, immer für die nächste Woche planen, bei der Anzahl von Ehrenamtlichen, die uns mit auf die Straße begleiten, es sich leider nicht mehr ergeben hat.
Es war aber wie immer eine interessante Tour, von Gesprächen über die Menschen auf der Straße über tiefsinnige Gespräche über das Leben, Gespräche, die man mit Sabine wirklich toll führen kann.
Vor allem ist sie ein Mensch, die kein Blatt vor den Mund nimmt und frei heraus sagt, was sie denkt und das ist auch gut so und vor allem wichtig bei dem was wir machen – denn nur mit Vertrauen, was genau durch sowas stetig wächst – bilden sich großartige Teams, die sich da draußen auf der Straße, selbst in der Dunkelheit, blind verstehen.
Angefangen haben wir in einer Stadt des Ennepe-Ruhr-Kreises, hier wurde Sabine jemand gemeldet, der sich an einem Ort aufhalten soll, an dem es in der Nacht sehr sehr ruhig ist, ein Ort an dem viele Lichter, denen ihren Weg weisen, die nicht mehr unter uns sind, ein Ort der für viele kalt und auch ein wenig gruselig wirkt, für andere aber einen sicheren Platz für die Nacht bietet, weil dort eben kaum was los ist, außer das sich vielleicht mal eine Maus verirrt oder ein Eichhörnchen, sich die letzten Reserven, für den Winterschlaf besorgt.
Vorgefunden haben wir dann aber auch nach längerer Suche niemanden, aber vielleicht waren wir auch zu früh oder vielleicht wurde die Person durch unsere Taschenlampen aufgeschreckt – wir wissen es nicht und werden den Ort im Auge behalten und noch öfters nachschauen, ob wir vielleicht dann irgendwan auch dort helfen dürfen.
Danach ging es auf die Autobahn, in die Stadt der 100 Treppen, dort hin wo Elefanten in die Wupper fallen, dort hin – wo Menschen, wie in vielen anderen Städten auf der Straße leben und davon leben, was ihnen von ihrem Leben geblieben ist.
Oftmals leider nur wenig von dem was sie bei sich haben aber auch sehr viel was sie in sich tragen, ihre Gedanken, ihre Geschichten ihre Schicksalsschläge, die sie dort ankommen ließen, wo sie nun eben leben – auf der Straße.
Als erstes besuchten wir einen uns schon länger bekannten Herrn, der gerne einen Kaffee nahm und uns nach 10,00 Euro fragte.
Ich mache das sonst nie, aber ich brauche das Geld ganz dringend und ihr bekommt es auch zurück, sagte er.
Wir machen das eigentlich auch sonst nie, aber wir verlassen uns auch auf unser Bauchgefühl und na ja – wenn es uns dann jetzt mal getäuscht haben sollte, dann ist das eben so aber ganz ehrlich?
Ich bin ein bisschen gespannt, ob er sein Versprechen einbehält, denn auch er weiß, wie wichtig uns gegenseitiges Vertrauen ist – wir werden sehen.
Danach ging es weiter, ein Versprechen einlösen – Das alte Radio wurde einem weiteren Herrn gestohlen, nun hat er ein Neues und dazu gab es noch einen Tee und ein Süppchen.
Auf dem Weg zu ihm, viel uns noch ein weiterer Herr auf – also zurück und nachgeschaut, wie wir dort helfen konnten und auch hier gab es einen Kaffee, eine Suppe und auch einen Schlafsack und obendrauf noch eine Thermohose, für unten drunter und danach unterhielten wir uns noch ein bisschen und zogen dann weiter.
An der nächsten Stelle trafen wir dann auf den Herrn mit dem Krampfanfall und seinem „Zimmergenossen“.
Ihr erinnert Euch vielleicht – das war der Herr, der jedes Mal nachfragt, ob er das Wohnzimmer des Anderen betreten darf und die Nacht auf seiner Couch verbringen darf, wobei das Wohnzimmer einfach nur ein paar Treppen sind und die Couch der harte kalte Boden.
Sie freuten sich, uns zu sehen und einer von ihnen sagte, dass sie sich schon Sorgen gemacht hätten, weil wir ganze vier Tage nicht da gewesen sind.
Das ganze Internet haben sie durchwühlt, um uns zu finden und dann hätten sie unsere Berichte gefunden und angeschrieben haben sie uns auch und tatsächlich – siehe da.
„Betreff: Danke.
Nachrichtentext:
Von ganzem Herzen möchte xxxxx und ich xxxxx uns bei euch bedanken.“
Männers – die Email ist angekommen – herzlichen Dank dafür! 🤗
Was denn mit anrufen gewesen wäre!?
Na gut, das wäre ja einfach gewesen. Aber wwarum einfach, wenn es auch kompliziert geht – alleine diese Aktion hat uns sehr gefreut!
Ich erzählte ihnen das wir eigentlich Samstag vorgehabt hätten vorbeizukommen, in der Nacht aber unsere Tour abgebrochen hatten, weil der Schlaf sich durchgesetzt hatte und ich eigentlich am Sonntag zu ihnen kommen wollte, mich aber das Bett, bis auf ein kurzes Frühstück, nicht gehen lassen wollte und ich den ganzen Tag geschlafen hatte, bis in den frühen Montag hinein.
Dann sagten sie etwas, was uns sehr berührt hat.
„Ihr müsst Euch für nichts rechtfertigen, aber nachdem wir Euch dann 4 Tage nicht gesehen hatten, wurden wir richtig nervös – ihr fahrt die Nächte durch die Welt, um uns Menschen zu helfen und wir haben uns ernsthafte Sorgen gemacht, dass euch vielleicht der Sekundenschlaf erwischt hat oder was anderes passiert ist!“
wow – das ist herzlich und das ist in dem Moment sehr ergreifend gewesen, denn normaler Weise sind wir es, die sich Sorgen machen und nun sind sie es – die, die wir in der Nacht besuchen, die sich Gedanken machen, was mit uns ist.
– Was für eine schöne Geste, die uns eine ganz besondere Wärme schenkt –
Es gibt Abende, da geht man mit mit vielen schweren Gedanken ins Bett, es gibt auch Abende, sowie der heutige, da geht man dann mit einem Lächeln ins Bett.
– Das ist auch mal schön –
Danach sollte es für uns beide noch zu zwei weiteren Herren gehen, doch es war nur einer von beiden da – der andere wollte nur mal kurz zum Einkaufen und danach zum Arzt, war aber bis zu dem Augenblick, wo wir vor Ort waren, noch immer nicht zurück.
– Hoffentlich geht es ihm gut –
Schnell noch einen heißen Kaffee und dann ging es weiter an eine weitere Stelle, wo wir dann auch noch Kaffee und Suppe verteilen durften und nachdem ich mir die Schuhe eines Herrn angeschaut hatte und mich erkundigte, welche Größe er hat – ging ich zum Auto und schenkte ihm nagelneue Winterschuhe, die eigentlich für den Herrn waren, den wir Samstag früh angetroffen hatten, am Abend drauf dann aber nicht mehr finden konnten.
Jetzt werden die Schuhe von anderen Füßen getragen, die einen anderen Herrn wärme schenken.
Aber es ja jetzt auch nicht so, dass es keine Schuhe mehr gibt und wenn wir dem anderen Herrn wieder über den Weg laufen, dann gibt es eben für ihn auch neue warme Winterschuhe.
Dann ging es zurück – Sabine nach Hause bringen und auf dem Weg dorthin, machten wir noch kurz Halt an einer weiteren Stelle im Ennepe-Ruhr-Kreis aber auch dort war heute niemand zu Hause in seinem Wohnzimmer, dass keinen Teppich, keine Fenster und keine Heizung hat, sondern einfach nur aus nacktem, kalten Beton besteht.
Angekommen sind wir dann irgendwann, zu Hause und auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, mit denen wir helfen dürfen – wir freuen uns über jeden Menschen, der dann für sich, auf seine Art und Weise, in sich angekommen ist und irgendwann dann auch den Weg nach Hause gefunden hat – egal wo dieser Weg hinführt,
– Hauptsache nach Hause, wo auch immer das sein mag –