Wie sprechen wir Obdachlose an

Wie sprechen wir Obdachlose an, wie reden wir mit Ihnen?

Heute, 24.05.2024, folgen Holger und ich 2 Meldungen, dass obdachlose Menschen im Kreis Ennepetal gesichtet wurden. Am 1. genannten Standort treffen wir keinen Obdachlosen an, dafür aber eine Gruppe junger Leute, die friedlich in einem Parkhaus auf Campingstühlen zusammensitzen, reden, etwas trinken, leise Musik aus ihren Auto hören. Eine geniale Lösung, wenn das Geld für Restaurants, Clubs, Kneipen nicht reicht – man aber zusammen sein möchte. Holger stoppt den Kangoo: „Guten Abend – habt ihr vielleicht einen obdachlosen Menschen hier in der Nähe gesehen?“ Unisono: „Nein, haben wir nicht.“ Holger fragt: „Darf ich euch meine Karte geben und ihr ruft mich an, wenn ihr jemanden seht? Wir helfen nämlich obdachlosen Menschen.“ Eine junge Frau springt sofort auf, kommt zu uns: „Ja klar – toll, was ihr macht, vielen Dank!“ Wir bedanken uns ebenfalls und sind einfach froh, diese jungen Menschen, die offensichtlich Werte wie Empathie, soziales Verständnis und Höflichkeit kennen, getroffen zu haben. Leider ist das keine Selbstverständlichkeit mehr.

Wir fahren den 2. genannten Standort an. Ein offensichtlich obdachloser Mensch hockt vor dem Eingang eines Supermarkts, der zum Glück überdacht ist, denn es regnet immer wieder heftig. Holger stoppt den Kangoo, fragt, ob wir helfen können. Unartikulierte Antwort – wir steigen aus. Der obdachlose Herr reagiert zunächst erschrocken, Holger hebt beide Hände: „Keine Sorge, wir tun dir nichts, wir sind die Guten!“ Er entspannt sich. Seine Stellung ist ungewöhnlich, er kniet und isst vorn übergebeugt, die Ellenbogen auf dem Boden, den Rest einer Pizza. Sein Schlafsack ist verdreckt, vor ihm liegt einiges an Müll wie bunte Eierschalen und ein Behältnis aus Plastik – offenbar hat ihn jemand mit einigem an Nahrung versorgt. Holger stellt sich vor, fragt nach seinem Namen. Holger erklärt, was unsere Intention ist und ob er etwas benötigt – eine Terrine offenbar nicht, aber vielleicht etwas zu trinken, Hygieneartikel, Sonstiges, einen neuen Schlafsack vielleicht. Ein Kaffee ist ok – aber selbst seinen verdreckten Schlafsack will er behalten. Ich versuche, das nachzuvollziehen. Ich hänge an vielem, was meine Wohnung ausmacht. Ist das vergleichbar mit einem verdreckten Schlafsack? Darüber kann ich nicht und kann niemand ein Urteil fällen. Wir können nur akzeptieren.

Wir versuchen bei Erstkontakt eine Vertrauensbasis herzustellen. Wir stellen uns mit Vornamen vor und fragen nach dem Vornamen derjenigen, die wir antreffen. Die weitere Kommunikation wird automatisch persönlicher – zumindest manchmal. Wir fragen, woher sie kommen, ob sie bleiben, wohin es weiter für sie geht, wie es ihnen gerade geht. Je nach Zustand der angetroffenen Person wird allmählich ein Gespräch aufgebaut, in dem sie sich uns anvertrauen, ihre Geschichte erzählen. Sind diese Geschichten real oder Fantasie? Das wissen wir nicht. Aber wenn wir diese Menschen eine Woche, zwei, drei Wochen später wieder antreffen und die Geschichte dieselbe ist, kann man vom Wahrheitsgehalt ausgehen. Und wenn nicht? Ja und? Wir sind trotzdem für sie da.

Wir holen diese Menschen ab. Ich habe bereits einige Male mit „kenne ich“ reagiert, wenn sie ihre Geschichten erzählen. Es waren natürlich nur kleine Auszüge, den Großteil kann ich gar nicht nachvollziehen. Aber es bedeutet eine winzig kleine Basis für einen winzig kleinen Moment – und das ist es wert.

Sie sind es wert, mit ihnen zu reden.
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