Vertrauen

Zurzeit fahren wir den Ennepe-Ruhr-Kreis, Wuppertal, Hagen und Bochum an.
In Zukunft werden wir eine weitere Stadt dazunehmen, einen Ort, an dem wir ebenfalls nach denen schauen werden, die zu den Zeiten, in denen wir unterwegs sind, keine Bleibe gefunden haben.
Welche das sein wird, darüber schreiben wir schon bald mehr.
Auf ihrer gestrigen Tour von Donnerstag auf Freitag, schauten Thorsten und Tanja (Tagliatella Carbonare) schonmal dort vorbei und verschafften sich einen ersten Eindruck.
Aber fangen wir am Anfang an.
Für die Beiden fing die ihre Tour in Hagen an, wo sie zwei wohnungslosen und einem obdachlosen Menschen, jeweils mit jeweils einer Terrine und Kaffee versorgen durften.
Danach ging es in die neue Stadt.
Neu bedeutet unbekannt und muss erstmal angeschaut werden, in den nächsten Tagen werde ich mit den zuständigen Streetworkern Kontakt aufnehmen und mir mit ihnen zusammen ein Bild darüber machen, wie und wo wir helfen dürfen.
Im Anschluss daran ging es für die Beiden nach Wuppertal
Hier schauten die Beiden nach dem Pärchen im Zelt, wobei seine Partnerin noch immer nicht wieder da war – wie die Beiden jedoch in einem Gespräch mit dem Herrn erfuhren, ist seine Partnerin, erstmal bei einem Bekannten von ihm, in einer Wohnung untergekommen.
– Das ist gut, denn eine Frau in der Nacht alleine auf der Straße lebend, ist keine gute Idee –
Von dort fuhren die Beiden zu einer Stelle, die wir durch unser Obdachlosennetzwerk genannt bekommen haben, doch trafen sie heute dort niemanden an, auch der Einkaufswagen, den die Beiden letzte Woche dort fanden, stand heute noch genauso dort, wie in der vergangenen Woche.
– Wir schauen weiter und halten die Augen auf –
Dann ging es zu einem uns bekannten obdachlosen Herrn, der heute – so schrieb Thorsten es mir, in Plauderlaune war.
Eigentlich sehr unüblich für ihn, aber wenn jemand das Gespräch sucht, bleiben wir stehen, hören zu und auch wenn es ein oder zwei Stunden dauert, denn auch das gehört zu unserer Aufgabe dazu – zuhören – ehrlich und offen!
Bei einer Suppe und Süßigkeiten, erzählte er viel über seine verstorbene Oma, bei der er aufgewachsen ist, auch über seine Familie, seine zwei Kinder und seine Onkels, der eine ist Dipl. Ing. in Berlin, der andere Psychologe in Leverkusen, jedoch hat er zu beiden von Ihnen keinen Kontakt.
Was mehrmals zum Thema wurde, waren seine Gedanken über den Tod. Er selbst habe keine Angst vor dem Tod aber deutlich mehr habe er Angst über die immer wiederkehrenden Gedanken, die ihn fragen ließen, wie er sterben wird.
Nachdem Danny verstorben war und das allein auf der Straße und dazu noch sehr schlimm, gehen vielen dieser Menschen, die ihn kannten, solche Gedanken durch den Kopf – vielen unserer Teams wird oftmals unter Tränen erzählt, wie eben die Ängste sind, wie oft sie die Gedanken mit in den Schlaf nehmen würden und wie oft sie immer wieder von diesem Thema begleitet werden würden.
Allein im letzten Jahr, starben sieben Menschen aus dem Umfeld eines anderen obdachlosen Menschen, der mir erst kürzlich erzählte, dass er das langsam nicht mehr ertragen könnte und er fürchterliche Angst, vor dem kommenden Winter hätte.
Angst davor vielleicht schon bald zu denen zu gehören, die nun nicht mehr da sind.
Weiter in dem Gespräch mit Thorsten und Tanja erzählte er den Beiden noch, wie seine Oma und sein Opa gestorben sind. Es sei ihm auch egal ob er morgen sterben würde, aber eigentlich würde er ja gern noch 10-20 Jahre leben, aber eben unter anderen Umständen.
Thorsten, der schon länger in unserem Straßenteam unterwegs auf den Straßen ist, hat ihn noch nie so lange und so persönlich reden hören.
– Das ist Vertrauen und auch wenn manch eine Gedanke traurig ist zu erfahren oder für Euch auch schwer ist zu lesen, uns zeigt es dass wir genau das Richtige tun – denn Vertrauen und das gerade auf der Straße ist keine Selbstverständlichkeit –
Nach dem Gespräch fuhren die Beiden an eine weitere Stelle und durften dort einem Menschen für einen Moment mit einem heißen Kaffee, die Nacht ein kleines bisschen wärmer machen – mehr brauchte die Person dann aber nicht.
Er hätte eine Schlafstätte, wo er duschen und kochen kann, und das würde ihm völlig ausreichen.
An einer weiteren Stelle schlief ein Herr bereits so tief und fest, dass die Beiden ihn dann auch im Land der Träume ließen.
Danach ging es zu dem Herrn, der damals einen Krampfanfall erlitt, als wir mit unserem Team dort waren.
Er hatte tolle Neuigkeiten, die er den Beiden, während eines Tee`s und einer heißen Suppe erzählte. Morgen fährt er mit einem Sozialarbeiter zu einem Freund, der auf Entziehung ist, um ihn zu besuchen und noch viel besser ist aber sein Termin, morgen Vormittag bei der Diakonie.
Dort bekommt er dann gesagt, ob er ab kommenden Montag in ein betreutes Wohnen ziehen darf. Er würde dann in einem Doppelzimmer wohnen und von dort aus sein neues Leben in Angriff nehmen können, zudem hat er wohl einen Job als Lagerhelfer in Aussicht.
Zunächst in Teilzeit, aber besser als nichts und dann erzählte auch er ein bisschen aus seinem Leben.
Es sind immer wieder Fragmente, die er uns erzählt, mal dem einen Team das und dann dem anderen Team wieder das – alles zusammen ist aber schlüssig und passt auch zusammen.
Er hat zwei Kinder im jugendlichen Alter. Seine Tochter (15 Jahre alt) macht nächstes Jahr den Trainerschein im Fußball. Sein Sohn spielt in der A-Jugend und ist recht erfolgreich im Fußball.
Und auch bei ihm nahm sich unser Team viel Zeit, hörte ihm lange zu und freute sich auch hier über das Vertrauen, dass uns entgegengebracht wurde.
An einer weiteren Stelle trafen die Beiden auf weitere zwei Herren, die sich auch über einen Kaffee und eine Terrine freuten.
Eine weitere Stelle in der Fußgängerzone, wo bislang ein obdachloser Herr in der Nacht sein Lager aufbaute und dort vor Wind und Wetter geschützt liegen konnte, war mit Brettern versehen worden, so dass es hier unmöglich ist, sich niederzulassen.
Dann ging es für die Beiden mit viele Eindrücken und Erzählungen nach Hause – morgen dann fahren Olaf, Frank und Sabine auf die Straße, in die Nacht hinein, zu denen die uns ihr Vertrauen schenken, die uns ihre Geschichten erzählen, die sich in der Nacht über ein heißes Getränk freuen und zu denen die wissen, dass wir nach ihnen schauen fahren, selbst wenn sie schon schlafen – wir sind da und passen auf sie auf.
Für viele von ihnen, sowie es uns auch immer wieder berichtetet wird, ein besseres Gefühl, mit dem sie einschlafen können.